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Pädagogikprofessorin: Sprachtests an Kitas grenzen aus

Tanja Brandl-Götz, Leiterin des Studiengangs Pädagogik der Kindheit an der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN) sieht in den geplanten Deutschtests für Kita-Kinder einen „ganz großen Rückschritt in der Bildungspolitik“. Bildung von Kindern beginne ab der Geburt und nicht erst ab dem Übergang zur Schule, sagte sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Begleitende Maßnahmen zum Spracherwerb müssten Familien von Anfang an zur Verfügung stehen und auch an Kitas ausgebaut werden. „Wir haben an Kitas Integrationsfachkräfte, wir haben die Möglichkeit von Frühförderung und Logopädie. Es geht dabei ja nicht nur um Kinder mit Migrationshintergrund.“

Am 23. Juli hat die bayerische Staatsregierung bekannt gegeben, dass alle Kinder im Alter von etwa viereinhalb Jahren auf ihre Deutschkenntnisse getestet werden sollen. Sollte ein Förderbedarf festgestellt werden, werde das Kind „zum Besuch einer Kita mit integriertem Vorkurs Deutsch“ verpflichtet. Vorgenommen werden sollen die Sprachtests durch die örtlichen Grundschulen. Kinder könnten nach einem weiteren Test bei der Schulanmeldung auch von der Einschulung zurückgestellt werden, hieß es.

Kinder würden mit dem Gesetzesentwurf der Staatsregierung nicht integriert, sondern ausgegrenzt, kritisiert Brandl-Götz. „Wir nehmen sie aus ihrem sozialen Gefüge heraus, in dem sie bisher gelernt haben, und von ihren Bezugspersonen in der Kita weg.“ Die Kinder kämen dann in eine Gruppe mit anderen Kindern mit Unterstützungsbedarf, dabei sei wissenschaftlich klar: „Kinder lernen am besten voneinander.“ Da es das Angebot von Sprach-Vorkursen aufgrund des Personalmangels nicht überall gebe, müssten kleine Kinder vor allem im ländlichen Raum unter Umständen weite Strecken zur Kita gebracht werden.

Ein weiterer großer Kritikpunkt ist für die Pädagogikprofessorin auch der Prozess der Rückstellung von Kindern vor der Einschulung. „Das Kind ist Vorschulkind und freut sich auf den neuen Lebensabschnitt. Dann bestimmt jemand anderes: Du scheiterst. Du kommst nicht in die Schule.“ Wenn Eltern sich selbst frühzeitig entschieden, ihr Kind zurückzustellen, komme es gar nicht erst in die Vorschulphase und mache nicht diese belastende Erfahrung. „Allein der Leistungsdruck, der in diesem Jahr auf den Kindern und ihren Familien lastet, hat Einfluss auf das kindliche Bild von Schule. Auch die Emotionen, die das Kind mit Lernen verbindet, sind negativ.“

Auch strukturell gebe es viele offene Fragen, zum Beispiel, „wie die bereits jetzt überforderten Systeme Kita und Grundschule diese Zusatzaufgabe im Sinne der Kinder bewältigen sollen“, so Brandl-Götz. Es gebe bereits zu wenige Kita-Plätze. „Was passiert mit dem Kind, wenn es zurückgestellt wird? Belegt es weiter den Platz in der Spezial-Kita, oder kommt es zurück in seine alte Kita? Das sind alles Fragen, die der Gesetzentwurf nicht hergibt.“

Statt verpflichtender Sprachtests und einer „Ausgrenzung von Kindern mit Unterstützungsbedarf“ wünscht sich die Pädagogin, „dass wir dieses Geld, das wir jetzt in die Hand nehmen, tatsächlich in die Unterstützung der Sprachvermittlung in der Familie geben“. Fachkräfte in den Kitas bräuchten außerdem mehr Freiraum, Kinder in der Sprachentwicklung zu begleiten. Ein gutes Beispiel seien Sprachkitas mit besonderem Augenmerk auf die Sprachentwicklung: „Das sollte keine Ausnahme mehr bleiben, sondern der Alltag werden“, wünscht sich Brandl-Götz. (00/2454/14.08.2024)