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Organspende (II) Vier Modelle – ein Ziel

Geltende rechtliche Regelungen in Europa und was sie voneinander unterscheidet. Ein Überblick

Angesichts niedriger Organspender-Zahlen wird in Deutschland über die rechtlichen Grundlagen des Organspende-Systems debattiert. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich nun für die sogenannte Widerspruchslösung ausgesprochen. In Europa gibt es unterschiedliche Modelle, nach denen sich die Bürger zur Organspende bekennen können. Ein Überblick über die geltenden gesetzlichen Regelungen:

Entscheidungslösung: Die Entscheidungslösung gilt in Deutschland seit November 2012 und löste die „erweiterte Zustimmungslösung“ ab. Danach wird jeder Bürger ab dem 16. Lebensjahr dazu aufgefordert, eine Erklärung zur Organspende abzugeben. Die Krankenkassen schicken alle zwei Jahre Informationsmaterial zur Organspende an die Versicherten und fragen die Spendebereitschaft ab.
Die Bürger sollen, so die Intention, in die Lage versetzt werden, eine unabhängige Entscheidung für oder gegen die Organ- und Gewebespende zu treffen. Behörden verteilen das Material bei der Ausweisausgabe. Einen Zwang zur Entscheidung gibt es hierzulande nicht.
Eine Organspende ist nur zulässig, wenn eine Zustimmung vorliegt. Der Wille des Verstorbenen zu Lebzeiten hat Vorrang. Ist er nicht dokumentiert oder bekannt, entscheiden die nächsten Angehörigen auf der Grundlage des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen.

Erweiterte Zustimmungslösung: Bei der erweiterten Zustimmungsregelung, die in Deutschland bis 2012 galt, muss der Verstorbene zu Lebzeiten einer Organentnahme zugestimmt haben. Das kann durch einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung erfolgen. Liegt diese Einwilligung nicht vor, können die Hinterbliebenen nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen über eine Organentnahme entscheiden.
Diese Regelung gilt in Dänemark, Großbritannien, Irland, Island, Litauen, Rumänien, der Schweiz und Zypern. Die Niederlande haben als 18. Land in Europa diese Regelung jetzt hinter sich gelassen. Nach einer Gesetzesreform gilt hier nun auch die Widerspruchslösung.

Widerspruchslösung: Der Verstorbene wird bei der Widerspruchslösung zum Organspender, wenn er einer Organentnahme zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat und diese Entscheidung etwa in einem speziellen Register wie in Österreich festgehalten ist. Die Angehörigen haben in diesem Fall kein Widerspruchsrecht.
In Belgien, Luxemburg, Lettland, Malta, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn gilt diese Form der Widerspruchsregelung. In Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Kroatien, Norwegen, Russland, Schweden und der Türkei können Hinterbliebene jedoch gegen eine Organentnahme stimmen, weil hier die Widerspruchsregelung mit dem Einspruchsrecht der Angehörigen verknüpft ist.
Spanien ist weltweit das Land mit der höchsten Rate an Organspendern. Dort kamen 2015 rund 39,7 Spender auf eine Million Einwohner. Zum Vergleich: Mit 9,3 Spendern je eine Million Einwohner liegt Deutschland auf einem der untersten Tabellenränge.

Notstandsregelung: Bulgarien ist ein rechtlicher Sonderfall. Hier gilt die Notstandsregelung. Die Organentnahme ist „im Notstand“ immer zulässig. Selbst beim Vorliegen eines Widerspruchs kann es unter bestimmten Umständen zur Organentnahme kommen. epd