Der Präsident der Konferenz der europäischen Rabbiner (CER), Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, hat mehr Unterstützung für die gemäßigten Muslime in Europa gefordert. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober habe der Antisemitismus nicht nur in Europa zugenommen und es gebe mehr Angriffe gegen jüdische Menschen und Gemeinden, sagte Goldschmidt am Mittwoch im „Morgenecho“ auf WDR 5. Auch der interreligiöse Dialog mit Muslimen sei schwieriger geworden, aber er werde fortgesetzt und sei „heute noch viel wichtiger als früher“. Die moderaten Vertreter innerhalb der muslimischen Gemeinden brauchten Unterstützung von der Zivilgesellschaft und von den Regierungen in Europa, betonte der Oberrabbiner. „Die Extremisten, die hören wir.“
Goldschmidt erhält am Donnerstag den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen. Man wolle mit dieser Auszeichnung „das Signal setzen, dass jüdisches Leben selbstverständlich zu Europa gehört und in Europa kein Platz für Antisemitismus sein darf“, hieß es in der Begründung des Karlspreis-Direktoriums. Mit dem nicht dotierten Preis werde zudem ein „herausragender Repräsentant des europäischen Judentums und das jüdische Leben in Europa“ gewürdigt. Die Auszeichnung sei eine große Ehre und „ein Signal der Unterstützung, das heute sehr wichtig ist“, sagte der Oberrabbiner im WDR.
Pinchas Goldschmidt wurde am 21. Juli 1963 in einer jüdisch-orthodoxen Familie in Zürich geboren. Von 1989 bis 2022 arbeitete er als Rabbiner in Moskau. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine verließ er Russland. Seither seien mehr als 100.000 Mitglieder der jüdischen Gemeinden ausgereist, sagte Goldschmidt im „Morgenecho“.
Goldschmidt ist seit 2011 Präsident der Konferenz der europäischen Rabbiner mit Sitz in München, die nach eigenen Angaben rund 800 aktive Rabbiner in Europa vertritt. Er engagiert sich zudem für den interreligiösen Dialog und war 2015 Mitgründer des „Muslim-Jewish Leadership Council“, einem jüdisch-muslimischen Expertenrat mit Sitz in Amsterdam, der den Erhalt von Religionsfreiheit und religiösem Frieden sowie eine Vertiefung des Dialogs zwischen Europas rund 1,5 Millionen Juden und über 40 Millionen Muslimen zum Ziel hat.
Die Feierstunde zur Verleihung des Karlspreises findet am Donnerstag ab 11.15 Uhr im Krönungssaal des Aachener Rathauses statt. Die Festreden halten Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sowie der albanische Ministerpräsident Edi Rama. Der seit 1950 verliehene Internationale Karlspreis zu Aachen gilt als eine der wichtigsten europäischen Auszeichnungen. Der Preis wird an Menschen und Institutionen verliehen, die sich um Völkerverständigung und die Einigung Europas verdient gemacht haben. Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Altbundeskanzlerin Angela Merkel und Papst Franziskus.