Das Land Nordrhein-Westfalen will kircheneigene Regelungen der Vermögensverwaltung stärken und staatliche Gesetze, die noch aus preußischer Zeit stammen, formal für nichtig erklären. Es widerspreche dem im Grundgesetz geregelten Verhältnis von Staat und Kirche, wenn die Vermögensverwaltung kirchlicher Körperschaften zumindest scheinbar durch staatliches Recht geregelt ist, heißt es in einem Gesetzentwurf der Landtags-Regierungsfraktionen von CDU und Grünen, der am Mittwoch in erster Lesung beraten wurde. Mit dem Gesetz sollen zwei derzeit noch als Landesrecht formal geltende preußische Gesetze von 1924 zum 1. Juli 2024 aufgehoben werden.
Für die Landesregierung erklärte Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU), dass es sich um einen Akt der Rechtsbereinigung handele. Nach der grundgesetzlichen Ordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche fielen Bestimmungen über die Vermögensverwaltung kirchlicher Körperschaften nicht in die Zuständigkeiten des staatlichen Gesetzgebers, sagte er im Plenum. Jede Religionsgesellschaft ordne und verwalte ihre Angelegenheiten „selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. Die alten Preußengesetze seien obsolet. Der vorliegende Gesetzentwurf diene der Rechtsbereinigung. Der Landesgesetzgeber habe eine „unbedingte Verfassungspflicht“.
Dass die noch in den preußischen Staatsgesetzen von 1924 enthaltenen staatlichen Aufsichtsbefugnisse und Genehmigungsvorbehalte weitestgehend als verfassungswidrig und nichtig anzusehen sind, bestätigt auch ein Gutachten des Staatsrechtslehrers Markus Ogorek von der Universität Köln. Dieses war von der Landesregierung in Auftrag gegeben worden.
Mit Blick auf die Evangelische Kirche im Rheinland und die Evangelische Kirche von Westfalen, deren Territorien einst auf preußischem Gebiet lagen, dürfte sich durch die Aufhebung des „Staatsgesetzes betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen vom 8. April 1924 (PrKVGS)“ wenig ändern. Die beiden evangelischen Landeskirchen hatten bereits in den zurückliegenden Jahrzehnten kircheneigene Regelungen über die Vermögensverwaltung kirchlicher Körperschaften in Ausübung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erlassen. Diese sind rechtlich wirksam.
In den fünf katholischen Bistümern gilt bislang formal das preußische „Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens“ (PrKVVG) von 1924. Anders als in der evangelischen Kirche mussten die Diözesen Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn neue kirchliche Verwaltungsgesetze erarbeiten. Diese sollen am 1. Juli in Kraft treten.
Auch das Preußengesetz PrKVVG greift laut Staatsrechtler Ogorek ungerechtfertigterweise in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ein und ist weitestgehend verfassungswidrig. Staatsminister Liminski betonte, dass somit auch die Aufhebung des Gesetzes für die katholische Kirche „unbedingte Verfassungspflicht“ sei.
Die religionspolitischen Sprecher der Landtagsfraktion von CDU, Grünen, SPD und FDP hingegen kritisierten das Verfahren. In einer am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme äußerten sie die Befürchtung, dass durch die Aufhebung des Preußengesetzes und die nun erforderlich gewordenen bistumseigenen Regelwerke Bischöfe und Generalvikare zu viel Macht erhalten. Die religionspolitischen Sprecher fordern unter anderem ein unabhängiges Kontrollgremium, das bei Entscheidungen wie der Entlassung von Kirchenvorständen, der Änderung von Gemeindegrenzen und Gesetzesänderungen zustimmen müsse.