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Nicht rechnen – handeln

Es ist ein Wort, das im Alltag selten auftaucht: Barmherzigkeit. Wer so handelt, wägt nicht erst Kosten und Nutzen ab. Meistens ist es eine spontane Regung – die man lernen kann

zinkevych - Fotolia

Papst Franziskus hat das Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Klingt gut. Aber was bedeutet eigentlich Barmherzigkeit?

Im aktiven Wortschatz ist dieses Wort eher selten anzutreffen. Dabei ist es doch ein schönes Wort, in dem das Herz in der Mitte steht. Und ohne ein offenes Herz ist auch die Barmherzigkeit undenkbar. Denn nur aus einem solchen können Uneigennützigkeit und Liebe fließen, die Barmherzigkeit möglich machen. Der Mensch, der barmherzig ist, rechnet nicht ehe er gibt oder handelt, sondern ist gedrängt von der Liebe Christi. Er kann gar nicht anders, als so zu handeln. Wer erst Kosten und Nutzen abwägt, handelt nicht barmherzig.

Barmherzig handeln – es kommt viel zurück

Es gibt sie, diese Menschen, die mit einem offenen Herzen und viel Liebe handeln, weil sie nicht anders können. Wie die Frau, die abends aus dem Kino kommt und einen Obdachlosen im Regen stehen sieht. Ganz spontan geht sie zu ihm hin, gibt ihm ihren Schirm und lädt ihn ein, bei ihr zu übernachten. Zwar nimmt der Obdachlose das Angebot nicht an, aber zum ersten Mal seit langer Zeit fühlt er sich als Mensch angesehen und wahrgenommen.
Diese kurze und spontane Begegnung bewegt nicht nur den Mann, der im Regen stand, sondern auch die Frau. Sie entdeckt, dass sie etwas zu geben hat und dass es eine Wirkung hat, wie sie mit anderen Menschen umgeht. Dadurch fühlt sie sich reich beschenkt, obwohl sie bei dieser Begegnung im Grunde nichts bekommen hat.
Hier wird sichtbar, was Jesus meint, wenn er in der Bergpredigt davon spricht, dass diejenigen, die barmherzig sind, Barmherzigkeit bekommen werden. Wer gut und mit einem weiten Herzen handelt, der verliert nichts, sondern bekommt alles doppelt und dreifach zurück. Das gute Gefühl, einem anderen Menschen geholfen zu haben. Die Erfahrung, nicht beziehungslos zu sein. Die Erkenntnis, dass das eigene Handeln etwas ändern kann.
Es ist gar nicht so schwer, barmherzig zu handeln. Wir brauchen in unserer Gesellschaft dringend Menschen, die barmherzig sind. Denn wer erträgt die Lästigen schon gerne geduldig? Wer besucht die Gefangenen? Wer begräbt die Toten? Oder wer lehrt die Unwissenden oder tröstet die Betrübten? Das alles ist nichts, wofür man besondere Fähigkeiten braucht. Wer nicht zuerst berechnet, was für ihn dabei rausspringt, was er davon hat, der kann barmherzig sein. Der kann Menschen besuchen, die niemanden haben, der kann andere geduldig ertragen, der kann sich schlichtweg anderen zuwenden.

Guter Vorsatz: mehr auf andere achten

Und diese Zuwendung wird immer gebraucht. Auch wenn der Staat zum Glück dafür sorgt, dass jeder Mensch eine Wohnung haben kann und sich um die Kranken kümmert. Auch wenn die Schulpflicht bedeutet, dass alle Menschen theoretisch lesen und schreiben können. Denn der gute Umgang der Menschen miteinander kann staatlich nicht verordnet und durchgeführt werden. Dafür ist jeder selber verantwortlich und auch zuständig.
Wie wäre es deshalb damit, sich für das neue Jahr etwas Besonderes vorzunehmen? Neben all den anderen Dingen, die neu werden sollen, könnte in diesem Jahr ein guter Vorsatz sein, mehr auf die anderen zu achten. Nicht nur die eigenen Bedürfnisse und Vorteile im Blick behalten, sondern in diesem Jahr öfter nach rechts und links schauen. Dabei den Mitmenschen entdecken, der vielleicht gerade mich oder meine Hilfe braucht und schauen, was passiert, wenn ich mein Herz öffne. Und so zu werden, wie Basilius der Große sagt: „Durch die Barmherzigkeit für den Nächsten bist du Gott ähnlich.“