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Neues Zuhause für Jüdische Gemeinde in Kiel

Auf diesen Tag hat die Jüdische Gemeinde in Kiel lange gewartet: Am Sonntag (26. Mai) wird sie ihr neues Gemeindezentrum „Mishkan Shalom“ in der Waitzstraße 43 einweihen. Exakt 100 geladene Gäste haben Platz in dem hellen Raum im Obergeschoss, der der Jüdischen Gemeinde als Synagoge dient.

Dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Walter Joshua Pannbacker, ist die Freude anzusehen. „Endlich haben wir Platz und können ein komplettes Gemeindeleben anbieten. Das war bislang nur behelfsmäßig möglich“, sagt er.

In ihrer 20-jährigen Geschichte musste die Gemeinde oft umziehen. „Die ersten Aktivitäten fanden nach der Gründung 2004 in meiner damals 1 1/2-Zimmer-Wohnung statt“, erinnert sich Pannbacker. Anschließend bezog die Gemeinde immer wieder neue provisorische Räume, darunter auch ein ehemaliges Restaurant und Bettengeschäft.

Schließlich setzte sich der evangelische Altbischof Gothart Magaard (Schleswig) dafür ein, dass sich Gemeinde, Stadt und Landesregierung zu Gesprächen zusammensetzten, um für die 220 Mitglieder zählende Jüdische Gemeinde einen geeigneten Standort zu finden.

2019 konnte sie endlich das gelb-rote Backsteingebäude in der Waitzstraße beziehen und umbauen. Die neugotische Fassade des Hauses mit den hohen Bogen- und Rundfenstern war 1891 von der Burschenschaft Teutonia errichtet worden. Von 1919 bis 2019 nutzte eine Freikirche das denkmalgeschützte Gebäude.

Derzeitiger Eigentümer ist ein Privatmann. Finanziert wurden die Anmietung und der gut eine Million Euro teure Umbau des Gebäudes aus Eigenmitteln, Spenden, Stiftungsgeldern und öffentlichen Fördermitteln.

Neben der Synagoge bietet das Obergeschoss Platz für ein Studierzimmer. Auf der mittleren Etage befinden sich ein Sitzungsraum, Büros und eine Küche. Im Souterrain gibt es zwei Gruppenräume, in denen Kinder, Jugendliche und Senioren sich zum Basteln oder für Theaterproben treffen können.

Im Innenhof wurde mit der Gedenkstätte „LeDor VaDor – Von Generation zu Generation“ eine Klagemauer aus Glas errichtet, in die alle Namen der Jüdinnen und Juden aus Kiel eingraviert sind, die unter dem Regime der Nationalsozialisten deportiert wurden.

Mit dem Umzug sei die Gemeinde endlich sichtbar geworden, sagt Pannbacker. „Auch wenn wir unsere Tür nicht offen stehen lassen können, möchten wir ein Ort der Begegnung, des Lernens und des Miteinanders sein.“

Jüdische Einrichtungen im Land müssen seit dem Anschlag der Terrorgruppe Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mehr denn je Angriffe von Extremisten fürchten. Die Informations- und Dokumentationsstelle für Antisemitismus in Schleswig-Holstein erfasste im vergangenen Jahr 120 antisemitische Delikte und damit 41 Fälle mehr als im Jahr zuvor.

Pannbacker, der auch Antisemitismusbeauftragter des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein ist, bestätigt die Zunahme von antisemitischen Vorfällen. Gerade erst stellte er fest, dass mindestens fünf seiner Einladungen zur Einweihung des Gemeindezentrums die Empfänger nicht erreichten. „Wahrscheinlich wegen des auffälligen Absender-Stempels“, vermutet Pannbacker. Es sei auch keine Seltenheit, dass Pakete von jüdischen Versandhändlern beschädigt, stark verspätet oder gar nicht ankämen.

„In Kiel haben Punks schon vor vielen Jahren Bierflaschen auf meine schwangere Frau und mich geworfen. In Berlin hetzte mal einer seinen Kampfhund auf uns. Seitdem tragen wir die Kippa nicht mehr in der Öffentlichkeit“, erklärt Pannbacker, der sich bei öffentlichen Veranstaltungen oft von Personenschützern begleiten lässt.

Vor Hass im Internet kann er sich allerdings nur schwer schützen. Erst kürzlich wurde gegen Pannbacker gehetzt, als Aussagen von ihm zum aktuellen Gaza-Krieg falsch zitiert wurden. „Polizei und Justiz sind in den vergangenen Jahren aber sensibler geworden und nehmen antisemitische Vorfälle ernst. Das hilft“, sagt er.

Der Festakt am Sonntag kann nur unter hohen Sicherheitsauflagen stattfinden. Pannbacker lässt sich die Vorfreude davon aber nicht verderben. „Ich lasse mich nicht unterkriegen. Weder von den Nazis, noch von Linksextremen, noch von der Hamas.“