Polen hat ein neues Staatsoberhaupt. Der EU- und deutschlandkritische Karol Nawrocki hat sich zum Ziel gesetzt, Regierungschef Donald Tusk zu Fall zu bringen. Vor seiner Amtseinführung betete er in einem Marienheiligtum.
Zwei Monate nach seinem knappen Wahlsieg hat der rechtskonservative EU-Skeptiker Karol Nawrocki das Amt des polnischen Staatspräsidenten angetreten. Der 42-Jährige leistete seinen Amtseid am Mittwoch in Warschau vor der Nationalversammlung, die aus beiden Kammern der Parlaments besteht. Sejm-Präsident Szymon Holownia nahm Nawrocki den Eid ab.
Das neue Staatsoberhaupt hatte am Vorabend das Nationalheiligtum Jasna Gora im südpolnischen Tschenstochau (Czestochowa) besucht und an einem Gottesdienst vor der dortigen berühmten Marienikone teilgenommen. Dabei betete der Leiter des Paulinerordens, Generalprior Arnold Chrapkowski, dafür, dass Nawrocki Gott und Verfassung treu sein möge sowie Polen zusammenführe und nicht spalte. Anschließend schrieb Nawrocki in sozialen Medien: “Im Gebet liegt die Kraft. Lang lebe Polen.”
Nawrocki war bislang kein Berufspolitiker, sondern leitete als promovierter Historiker das staatliche Institut des Nationalen Gedenkens, das für die Aufarbeitung von kommunistischen und nationalsozialistischen Verbrechen zuständig ist. Im Wahlkampf hatten sowohl die katholisch-nationalistischen Sender Radio Maryja und TV Trwam als auch einige katholische Geistliche mit dem erfolgreichen parteilosen Kandidaten sympathisiert. Die größte Oppositionspartei, die nationalkonservative PiS, unterstützte Nawrocki offen.
Bei der Präsidenten-Stichwahl am 1. Juni hatte Nawrocki mit 50,9 Prozent den rechtsliberalen Bewerber aus dem Regierungslager, Rafal Trzaskowski, geschlagen. Nawrocki polemisierte wiederholt gegen die EU, die Ukraine und auch Deutschland. Sein Ziel ist, den proeuropäischen Ministerpräsidenten Donald Tusk und seine Mitte-links-Koalition zu Fall zu bringen. Das bekräftigte der designierte Chef des Präsididalamts, Zbigniew Bogucki, am Dienstag in einem Interview.
Der Präsident spielt in Polen bei der Gesetzgebung eine Schlüsselrolle. Er kann nach Belieben sein Veto gegen Gesetze einlegen, die das Parlament verabschiedet hat. Der aktuellen Regierung fehlt im Sejm eine eigene Drei-Fünftel-Mehrheit, um ein Nein des Präsidenten überstimmen zu können.
Einer aktuellen Umfrage für die Tageszeitung “Rzeczpospolita” zufolge gehen 33,8 Prozent der Erwachsenen in Polen davon aus, dass Nawrocki ein guter Präsident sein wird. 29,6 Prozent meinen dagegen, er werde ein schlechtes Staatsoberhaupt, und 27,0 Prozent, er werde mittelmäßig sein. Nawrocki übernimmt das Präsidentenamt von Andrzej Duda, dem die Verfassung eine dritte fünfjährige Amtszeit verwehrte.