Loccum/Kr. Nienburg. Sogar der Boden des mittelalterlichen Kreuzgangs ist aufgerissen. “Hier soll einmal die elektrische Versorgung entlang laufen”, sagt Ingenieur und Projektleiter Oliver Wolf, während er mit Schutzhelm und Arbeitsschuhen über Sand und Steine steigt. Damit der Kreuzgang nach dem Verlegen der Kabel wieder aussieht wie vorher, haben Handwerker die Bodenplatten auf der Unterseite grün durchnummeriert. Noch bis 2020 läuft im Kloster Loccum zwischen Weser und Steinhuder Meer das größte Bauprojekt der hannoverschen Landeskirche in der Nachkriegszeit: Für mehr als 29 Millionen Euro wird die historische Anlage komplett durchsaniert und modernisiert.
Als die Planungen vor sieben Jahren begannen, kalkulierte die Landeskirche noch mit 19 Millionen Euro. Seither sind die Kosten deutlich gestiegen. “Die Schäden an der Bausubstanz sind wesentlich gravierender, als wir zuvor angekommen haben”, erläutert der landeskirchliche Baudirektor Werner Lemke. Sein Kollege Oliver Wolf steigt über eine Treppe in den ersten Stock und deutet auf ein frisch eingesetztes Gebälk: “Die alten Balken waren so vergammelt, dass sie nicht mehr getragen haben. Sie mussten alle ausgetauscht werden.”
Historisches Baudenkmal
Für die Landeskirche ist die Sanierung des Klosters Loccum von großer Bedeutung, weil dort seit 1820 angehende Pastoren ausgebildet werden. “Wir müssen auf dem Markt der Predigerseminare ein attraktives Angebot machen können”, betont der Geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamtes in Hannover, Arend de Vries, der zugleich Prior des Klosterkonventes ist. Das könne nur gelingen, wenn der äußere Rahmen stimme: “Wir brauchen eine zeitgemäße Ausbildungsstätte für die Vikarinnen und Vikare.”
Hinzu komme die denkmalpflegerische Verantwortung für das 1163 errichtete Kloster, einem geistlichen Zentrum in Niedersachsen: “Wir haben es mit einem historischen Baudenkmal zu tun, das zu erhalten ist.” Neben dem Kloster Maulbronn bei Pforzheim gilt Loccum als das am besten erhaltene Zisterzienserkloster nördlich der Alpen. Zugleich ist das Kloster das älteste Predigerseminar in Deutschland, dass sich ununterbrochen an einem Ort befindet. Für de Vries sind die Bauarbeiten eine Investition in die Zukunft: “Das Kloster wird in einen Zustand versetzt, dass die nächsten 80 bis 100 Jahre nichts mehr nötig ist.”
Für die Generalüberholung haben Handwerker die Mauern der Anlage freigelegt. “Im Erdgeschoss ist Mittelalter, darüber setzt der Barock auf”, erläutert Oliver Wolf. Dabei kamen Schäden zum Vorschein, die von außen nicht sichtbar waren: Im Fachwerk hatte sich Hausschwamm eingenistet. Pilze und Käfer zersetzten das Gebälk. Auch Feuchtigkeit drang ein und führte zu Fäulnis.
Bibliothek als Attraktion
“Die Idee war, möglichst viel zu retten, aber das ist leider nicht überall gelungen”, sagt Wolf. So wurden Wände neu gezogen und sogar die Dachbalken verstärkt, um die Statik zu entlasten und Rissbildungen zu vermeiden. Moderne Arbeits- und Seminarräume sollen den Nachwuchs-Theologen hier künftig beste Studienmöglichkeiten bieten.
Die größte Attraktion soll künftig jedoch die neue Bibliothek sein. Am Ostflügel des Klosters, wo 1815 die ehemalige “Frateria” abgebrochen wurde, der Arbeitsraum der Mönche, wird sie gerade neu gebaut: mit viel Holz und Glas und einer Naturstein-Verkleidung. Rund 120.000 Bücher sollen hier unterkommen, darunter auch Bestände aus dem früheren Predigerseminar Celle sowie 21 kostbare Handschriften aus dem Mittelalter wie das “Loccumer Evangeliar”, das einen Schätzwert von rund einer halben Million Euro hat.
Arbeiten wie vor 200 Jahren
Um die historischen Schriften zu schützen, entsteht ein Raum mit einem besonderen Klima. Die Bibliothek soll künftig auch den Besuchern der benachbarten Evangelischen Akademie Loccum und anderen Interessierten offenstehen, betont Baudirektor Lemke: “Wir müssen mehr als Campus denken.”
An die Gründungszeit des Predigerseminars vor 200 Jahren sollen in Zukunft zwei spezielle Räume erinnern: Studierstuben im Stil von damals. Die Originalmöbel sind noch vorhanden und eingelagert. “Schreibtisch, Stuhl, Sofa – alles”, sagt Projektleiter Oliver Wolf. Im früheren Schlaftrakt der Mönche werden sie wieder aufgestellt. “Dort kann man dann ungestört wie 1820 arbeiten”, schmunzelt der Ingenieur. “Aber natürlich haben wir WLAN.” (epd)