Der evangelische Dekan von Bad Tölz, Heinrich Soffel, kehrt nicht in sein Amt als Dekan und Gemeindepfarrer zurück. Der Landeskirchenrat habe nach Abschluss eines kirchenrechtlichen Gutachtens zur „nachhaltigen Störung“ entschieden, den 58-Jährigen in den Wartestand zu versetzen, teilte die Landeskirche am Freitag mit. Der Beschluss sei das Ergebnis „einer intensiven Auseinandersetzung mit den bestehenden Spannungen zwischen den Beteiligten vor Ort“, hieß es weiter. Es handele sich dabei aber nicht um ein Disziplinarverfahren. „Es liegen keine disziplinar- oder strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen Dekan Soffel vor“, so die Landeskirche.
Auslöser für das Zerwürfnis zwischen Dekan, Kirchenvorstand und Aktiven der Gemeinde war Zeitungsberichten zufolge ein Streit im April 2022 über die Unterbringung von Ukraine-Flüchtlingen im Gemeindehaus. Soffel habe die Möglichkeit, gegen die Entscheidung Widerspruch einzulegen und Klage am kirchlichen Verwaltungsgericht zu erheben, teilte der Münchner Regionalbischof Thomas Prieto Peral auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) mit. In diesem Fall könnten für die Leitungsstelle des Dekanats Bad Tölz, zu dem zwölf Gemeinden und rund 30.000 Evangelischen gehören, bis zur abschließenden gerichtlichen Klärung, „nur Übergangslösungen“ getroffen werden.
Die Situation sei für alle Beteiligten beschwerlich, aber der Landeskirchenrat habe „keine andere Möglichkeit für einen Neuanfang“ gesehen, erklärte Prieto Peral. Der Beschluss werde „sicher nicht alle Fragen vor Ort lösen“ können. Dennoch gebe es mit der klaren Entscheidung jetzt eine Perspektive – „und die braucht Bad Tölz“. Als Regionalbischof sei es seine Aufgabe, „eine verlässliche Leitung zu übernehmen und Gespräche zu führen, die konstruktiv sind“. Diese Rolle übernehme er, „weil mir Bad Tölz wichtig ist“, betonte der Theologe. Mit Dekan Heinrich Soffel werde die Personalabteilung einen möglichen neuen Einsatz suchen.
Berichten der Lokalzeitungen zufolge ging es bei der Diskussion im Frühjahr 2022 um unterschiedliche Auffassungen beim Thema Flüchtlingshilfe. Während ein Helferkreis der Gemeinde Familien aus der Ukraine im Gemeindehaus Zuflucht bieten wollte, habe der Dekan das abgelehnt, weil die Räume zur Nachmittagsbetreuung von Schulkindern und für Kursangebote wichtig seien. Der Kirchenvorstand hatte schließlich die Aufnahme von Geflüchteten abgelehnt.
„Über die umstrittenen Entscheidungen wurde auch öffentlich berichtet, was den Konflikt noch weiter eskalieren ließ“, sagte der Regionalbischof dem epd. Die Kirchenleitung habe schon früh ein Konflikt-Coaching und eine Mediation vorgeschlagen. „Auf die Versuche wurde aber nicht eingegangen und der Konflikt konnte trotz vieler Gespräche nicht beigelegt werden“, sagte Prieto Peral, der seit 1. November 2023 im Amt ist. Den Beginn des Konflikts hatte sein Vorgänger und jetziger Landesbischof Christian Kopp begleitet.
Das Kirchenrecht sieht ein „Verfahren der nachhaltigen Störung“ vor, um bei dauerhaften Zerwürfnissen zwischen Hauptamtlichen, Gremien und Gemeinde für rechtliche Klärung zu sorgen. Mithilfe von Anhörungen wird dabei ein juristisches Gutachten über die Situation vor Ort erstellt. Es gehe dabei nicht um die Klärung von Schuldfragen, da Konflikte „häufig nicht einseitig verursacht“ würden, teilte die Landeskirche mit. Konstatiert das Gutachten eine „nachhaltige Störung“, so ist der oder die Hauptamtliche „versetzbar“.
Verfahren der nachhaltigen Störung sind selten: In den letzten fünf Jahren hat es laut Kirchensprecher zwei davon gegeben, beide im Kirchenkreis Regensburg. (00/0801/08.03.2024)