Die Hansestadt Lüneburg und das Buch der Bücher haben eine ganz besondere Beziehung: Die von Stern‘sche Druckerei am zentralen Platz Am Sande gehörte im 17. und 18. Jahrhundert zu den dominierenden Druckereien –und machte die Bibel zum Lüneburger Kulturgut, das in ganz Nordeuropa gehandelt wurde. Dabei setzte die Verlegerfamilie Stern auf Illustrationen – und auf Innovationen.
Die Ausstellung „Bilder. Das Salz der Bibeln“ im Lüneburger Museum zeigt das eindrucksvoll. Sie widmet sich bis zum 30. März 2025 der Bibel als „Experimentierfeld der modernen Mediengesellschaft am Beispiel der Bibelillustrationen“, wie der Kurator Ulf Tschirner es umschreibt. Die Präsentation greift damit ein aktuelles Thema auf: die Kraft und Macht der Bilder.
Bibel war umkämpfter Bestseller
Kein Druckerzeugnis hat das Erscheinungsbild der modernen Printmedien stärker geprägt als der Bibeldruck. Über Jahrhunderte war die Bibel der von Druckern und Verlegern heiß umkämpfte Bestseller, um den sich allein im 17. Jahrhundert in Deutschland etwa 120 Bibelproduzenten einen erbitterten Wettbewerb lieferten. Die Stern‘sche Druckerei war 200 Jahre lang vorn dabei und hat den Markt lange mit außergewöhnlich variantenreichen Bibeleditionen dominiert, die in vieler Hinsicht Mediengeschichte geschrieben haben.
„Bibeln wurden Exportschlager und haben Lüneburg neben dem Salz berühmt gemacht. Die Ausstellung zeigt, wie stark die ‚Schwarze Kunst‘ die Stadt geprägt hat und wie die Stern’sche Druckerei die europäische Druckkunst maßgeblich beeinflusste“, sagt die Museumsdirektorin Heike Düselder. Dazu zeigt die Ausstellung die künstlerische Vielfalt der Bibelillustrationen durch originale Druckformen, Holzschnitte und Kupferstiche.
Mitmachen in der Erlebnisdruckerei
Unter den gut 200 Exponaten – die ältesten sind Druckstöcke der Lüneburger Bibelholzschnitte von 1585 – sind allein 32 Stern‘sche Bibeln aus dem Zeitraum von 1614 bis 1821. „Bedeutend sind neben den Druckstöcken insbesondere die elf originalen Federzeichnungen von Matthias Scheits als Vorlagen zur Kupferstichbibel von 1672“, erläutert der Kurator Tschirner.
Interaktive Stationen wie eine Erlebnisdruckerei mit rekonstruierten historischen Drucktechniken, ein Puzzlespiel, Foto-Points, biblische Instagram-Stories und sprechende Bilderrahmen bieten den Besuchenden die Möglichkeit, sich aktiv mit der Geschichte des Buchdrucks auseinanderzusetzen.
„Die Frage nach dem Umgang mit Bildern ist heute aktueller ist denn je“, sagt Tschirner. „Ausgehend vom historischen Bestand der Stern‘schen Bildproduktion zur Bibel wollen wir die Besuchenden ermuntern, die Frage nach der Wirkung von Bildern auch in der Gegenwart zu reflektieren.“ Deshalb stelle die Schau die Originale in einen modernen Kontext.
Illustrationen als Alleinstellungsmerkmal
Während der Reformation konnten sich viele Menschen dank Luthers Übersetzung erstmals mit den Bibeltexten auseinandersetzen. Für die, die nicht lesen konnten, boten Bilder einen ersten Zugang – Lesenden halfen sie, Geschichten besser zu verstehen. „Komplexe Botschaften werden in einem einzelnen Bild oft besser vermittelt als durch lange Texte“, fasst Tschirner zusammen. „Bilder verdichten und konkretisieren Inhalte und wirken stärker auf die Emotionen des Betrachters, sie bleiben besser im Gedächtnis.“
Die Verleger Stern nutzten das. Gute Illustrationen waren ein Mittel, um sich von der Konkurrenz im Bibeldruck abzuheben – sie waren das „Salz der Bibeln“. Die Sterne“ als Influencer, die Bibeln sozusagen der gedruckte Vorläufer der sozialen Medien, „Vorbild“ für Instagram, Tiktok & Co.? „Das kann man durchaus so zuspitzen“, schmunzelt Tschirner. „Die Illustration der Bibel ist ein Beispiel dafür, welchen Unterschied Bilder bei der Vermittlung und Vermarktung von Botschaften machen können.“