Nicht mit Stolpersteinen, sondern mit Erinnerungszeichen wird in München Frauen und Männern gedacht, die in der NS-Zeit verfolgt und ermordet wurden. Demnächst wird eines für Carry Brachvogel errichtet.
Die Autorin und Journalistin Carry Brachvogel (1864-1942) erhält in München-Schwabing ein Erinnerungszeichen. Enthüllt wird es im Rahmen eines Gedenkakts am 11. Juli in der Herzogstraße 55. Mit dem Zeichen wird auch an Julie Weinmann und Siegmund Hellmann erinnert, die – zeitlich versetzt – in der Wohnung von Brachvogel lebten. Weinmann, Witwe eines Fabrikanten, starb 1936 im Alter von 87 Jahren. Carry Brachvogel und ihr Bruder Siegmund Hellmann wurden im Juli 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Die Nazis ermordeten dort Hellmann am 20. November 1942, Brachvogel am 7. Dezember 1942.
Brachvogel kam 1864 als Tochter eines Bankiers in München zur Welt. Sie heiratete 1887 den katholischen Schriftsteller Wolfgang Brachvogel, der fünf Jahre später tödlich verunglückte. Die junge Witwe musste von da an selbst den Lebensunterhalt für sich und die beiden Kinder bestreiten. Sie begann zu schreiben und veröffentlichte bis 1933 über 40 Romane, Biografien sowie Artikel in Zeitschriften und Zeitungen. Sie lebte das Ideal einer berufstätigen und selbstständigen Frau, wie es in der Mitteilung heißt. In ihrer Schwabinger Wohnung unterhielt sie zudem einen viel beachteten literarischen Salon.
In ihren Werken widmete sich Brachvogel vor allem Frauenleben in allen Facetten, wie es heißt. Ihre Texte seien auch von starker Heimatverbundenheit geprägt gewesen. Seit 1903 engagierte sie sich im Vorstand des Münchner Vereins für Fraueninteressen, 1913 gründete sie den Münchner Schriftstellerinnen-Verein. Als dessen langjährige Vorsitzende initiierte Brachvogel in den 1920er Jahren einen Hilfsfonds für bedürftige Journalistinnen und Schriftstellerinnen. 1933 musste die Jüdin den Vereinsvorsitz aufgeben und austreten, auch das Publizieren war ihr verboten worden. Die Tochter unterstützte von nun an die Mutter.
Brachvogels 1872 geborener Bruder Siegmund lehrte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität als Privatdozent und außerordentlicher Professor für mittelalterliche Geschichte. Er heiratete 1905, bekam zwei Kinder, die Ehe zerbrach 1914. Da seine finanzielle Situation ohne feste Anstellung prekär gewesen sei, habe Hellmann auch anderweitig Unterricht gegeben. Er stand dem Linksliberalismus nahe und verehrte den Soziologen Max Weber. In Vorträgen und Zeitungsartikeln setzte er sich immer wieder mit aktuellen politischen Fragen auseinander. Ende 1923 erhielt er einen Ruf an die Leipziger Uni als ordentlicher Professor. Doch die Nazis enthoben ihn 1933 seines Amtes, so dass er nach München zurückkehrte.
Die Erinnerungszeichen werden an Orten angebracht, an denen Menschen lebten, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Sie bestehen aus gebürstetem Edelstahl und sind vergoldet; entweder werden sie als Wandtafeln an der Fassade angebracht oder als Stelen auf öffentlichem Grund aufgestellt.