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Mit Experten und Spaß auf dem Sonderweg

Das seit vielen Jahren in Villigst angebotene Pastoralkolleg „Arbeitsrecht und Mitbestimmung“ richtet sich an Pfarrerinnen, Pfarrer, kirchlich Mitarbeitende, Presbyterien und Mitarbeitervertretungen. Es geht um Einblicke und Austausch

Schwerte-Villigst – „Arbeitsrecht macht Spaß“ – das war auch dieses Jahr das Motto des Pastoralkollegs „Arbeitsrecht und Mitbestimmung“, das im September in Villigst stattgefunden hat. Dieses Seminar gibt es seit vielen Jahren und es hat in dieser Form  ein Alleinstellungsmerkmal. Es richtet sich an Pfarrer und Pfarrerinnen, kirchlich Mitarbeitende, Presbyteriumsmitglieder ebenso wie an Mitarbeitervertretungen. Es vermittelt einen Einblick in das Arbeitsrecht und dient zugleich dem Austausch unter verschiedenen Blickwinkeln.
Viele haben Scheu, sich mit Gesetzen zu beschäftigen, weil sie meinen, das sei eine trockene Materie. Dass dies nicht so ist, will dieses Seminar zeigen. Die Autorin, Juristin im Fachbereich V des Instituts für Kirche und Gesellschaft (IKG) der Evangelischen Kirche von Westfalen, Reinhold Koch, Personalkirchmeister aus Bochum, und Landeskirchenrat Henning Juhl, Dezernent für Dienst- und Arbeitsrecht, gehen in diesem Seminar auf unterschiedliche Aspekte des Arbeitsrechts ein. Es lebt von den Fällen aus der Praxis, die miteinander besprochen werden.
Hier spielt das Thema Direktions- (Weisungs-)recht regelmäßig eine wichtige Rolle. Muss eine Erzieherin regelmäßig die Toiletten putzen? (Nein, muss sie nicht, da regelmäßige Putzarbeiten nicht zu  ihrem Berufsbild gehören.) Welche Aufgaben hat eine Gemeindesekretärin? Wie wird das aus Arbeitgeber- und wie aus Sicht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gesehen?

Verständnis für die je andere Seite entwickeln

Schon diese kleinen Beispiele zeigen, dass Leitungsverantwortung wahrzunehmen Grundkenntnisse im Arbeits- und Mitbestimmungsrecht voraussetzt.  Dies gilt für Pfarrerinnen und Pfarrer in Leitungspositionen gleichermaßen wie für Presbyterien sowie Mitarbeitervertretungen. Dazu gehört zunächst einmal die Frage, welche Gesetze sind wichtig im Arbeitsrecht und wo finde ich sie. Für viele ist es eine Überraschung, dass es kein „Arbeitsgesetzbuch“ gibt, sondern dass sich das Arbeitsrecht aus einer Vielzahl von einzelnen Gesetzen und Vorschriften zusammensetzt. Was heißt beispielsweise TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz), was wird darin geregelt und wo finde ich es? Die wichtigsten Fundstellen im Internet sowie Literaturtipps wurden besprochen.
Was ist das Besondere am kirchlichen Arbeitsrecht (Stichwort „Dritter Weg“), gelten die staatlichen Gesetze auch für kirchliche Arbeitsverhältnisse? Wie verhalten sich kirchliches und staatliches Arbeitsrecht zueinander? Wie kommen Arbeitsverträge zustande, welche Rechte und Pflichten gibt es, wie beendet man ein Arbeitsverhältnis? – Es geht darum, arbeitsrechtliches Grundwissen und Handwerkszeug zu vermitteln.
Neben diesen Lerneffekten profitieren die Teilnehmenden von ihren unterschiedlichen Rollen als Arbeitgeberinnen beziehungsweise Arbeitgeber  und Arbeitnehmerinnen beziehungsweise Arbeitnehmer. Es geht auch darum, sich diese Rollen bewusst zu machen und sich die damit einhergehenden unterschiedlichen Interessen vor Augen zu führen. Dies gelingt im unmittelbaren Austausch und anhand der Fallbeispiele.
Die Teilnehmenden berichteten nach dem Seminar, dass es dazu beigetragen habe, Verständnis für Entscheidungen der jeweils anderen Seite zu entwickeln. Trotz unterschiedlicher Rollen arbeite man an der gleichen Sache, das sei auch deutlich geworden.
Die Arbeitsweise und die Aufgabe der Mitarbeitervertretung (MAV) wurden ebenfalls erläutert. Wann und wie muss die MAV beteiligt werden? Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitervertretungen und Dienstgebern vor Ort aus?
Auch an dieser Stelle konnten die Teilnehmenden voneinander lernen, da praktische Erfahrungen ausgetauscht wurden. Neue MAV-Mitglieder profitieren von den Erfahrungen derer, die schon länger in diesem Amt sind. Pfarrer und Pfarrerinnen berichteten, dass MAVen im Laufe der Zeit informierter und stärker geworden seien und selbstbewusster auftreten, so dass auch auf Arbeitgeberseite das Bedürfnis vorhanden ist, sich rechtlich fortzubilden.
Zu den Fragen, wie kirchliches Arbeitsrecht gesetzt wird und wie der „Dritte Weg“ funktioniert, berichtete Landeskirchenrat Henning Juhl aus der Arbeitsrechtlichen Kommission und informierte über aktuelle Entscheidungen. Grundsätzliche Fragen des kirchlichen Arbeitsrechts wurden angesprochen und diskutiert. Das rundete die Veranstaltung ab und förderte das Verständnis für arbeitsrechtliche Fragestellungen zusätzlich.

In der Arbeitsrechtlichen Kommission sitzen gleich viele Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitgeber-/Dienstgeberseite und Arbeitnehmer-/Dienstnehmerseite. Das Gremium ist zuständig für die Gestaltung des kirchlichen Arbeitsvertragsrechts. Hier werden Arbeitsbedingungen sowie Löhne und Gehälter ausgehandelt. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet eine Schiedskommission. Streiks und Aussperrungen sind ausgeschlossen – Wesensmerkmal dieses „Dritten Weges“. UK