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Mit dem Sprüher gegen die Tigermücke

Eine ältere Dame mit Rollator sitzt auf einer Bank im Park des evangelischen Diakonissen-Stiftungskrankenhauses in Speyer. Hans Jerrentrup geht an ihr vorbei, in der Hand einen grünen Sprühbehälter. Er ist gefüllt mit wasserverdünntem Bti, einem biologischen Wirkstoff zur Bekämpfung von Stechmückenlarven. Immer wieder stoppt der Biologe an Gullys, Einlaufschächten und Baumsäcken und gibt ein, zwei Stöße hinein. „Das reicht, um mögliche abgelegte Eier der Asiatischen Tigermücke zu töten“, sagt der Mitarbeiter der „Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage“ (Kabs) in Speyer.

Nun ist ihm bei einem Kontrollgang auf dem Krankenhaus-Areal ein einzelnes Tigermücken-Weibchen in die Falle gegangen. „Dies ist als Einzelfund noch keine ganz große Katastrophe, zeigt aber die Notwendigkeit der Bekämpfung an“, sagt Jerrentrup. Er ist einer von rund 130 Schnakenbekämpfern, die derzeit am Oberrhein zwischen Basel und Bingen unterwegs sind, um einem gefährlichen Insekt zu Leibe zu rücken: Die Asiatische Tigermücke hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschlands wärmster Region heimisch gemacht. Die aus tropischen und subtropischen Regionen eingeschleppte Schnakenart kann mit ihren Stichen gefährliche Viruserkrankungen wie das Dengue-Fieber übertragen.

Gerade in der Nähe eines Krankenhauses könne das Aufkommen der aggressiven und stechfreudigen Tigermücken zu einer Gesundheitsgefahr für kranke oder immungeschwächte Patientinnen und Patienten werden, erklärt Jerrentrup. „Das ist ein sensibler Bereich.“ Der Biologe leitet ein 30-köpfiges Team für die Tigermückenbekämpfung in der Region. Der Kabs, einem gemeinnützigen Verein, gehören 94 Kommunen und Landkreise in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen an.

Die Plagegeister, die gerne in die Beine stechen, waren im April im Süden von Speyer gesichtet worden. Dort befindet sich auch das Diakonissen-Krankenhaus. Die Kommune beauftragte daraufhin Jerrentrup mit der Suche nach möglichen Tigermücken-Populationen. Auf dem „Campus“ des diakonischen Trägers sind unter anderem ein Krankenhaus, ein Altenzentrum, eine Kita und ein Hospiz untergebracht. Jerrentrup stellte dort in Büschen auch Eiablage-Fallen und Lebend-Fallen auf: Ein Tigermücken-Weibchen wurde eingesaugt.

Irgendwo auf dem Areal gebe es eine versteckte oder nicht zugängliche Brutstätte, in der sich Tigermücken vermehren könnten, sagt Jerrentrup. Die Stadt Speyer sei über den Fund informiert worden, mit der Gartenabteilung des Krankenhauses werde beraten, wie man weiter vorgehe. Auch über eine chemische Bekämpfung müsse nachgedacht werden, sagt Jerrentrup. Eine Tigermücken-Invasion könnte „ganz massiv werden“.

Die Diakonissen setzten im Kampf gegen die exotische Stechmücke auf Prävention und Kontrolle, informiert Sprecherin Barbara Fresenius. „Im Klinikgebäude selbst sind zum Schutz vor mückenübertragenen Virusinfektion Fenster in den Stationsfluren und jeweils ein Fenster in jedem Patientenzimmer mit Fliegengittern ausgestattet.“ Auch vermeide man offene Wasserstellen, wo sich Populationen bilden könnten.

Rund 300 Eier lege ein Mückenweibchen an mehreren Orten, erläutert Biologe Jerrentrup. Bei einem Flugradius von 150 Metern könne es daher bei warmen Temperaturen schnell zu einer explosionsartigen Vermehrung kommen. Ein Problem sei es, dass Kommunen wie Speyer aus finanziellen Gründen mit der Tigermücken-Bekämpfung häufig lange abwarteten – oder gar ganz ausstiegen, wie das badische Hockenheim.

Alle Bürgerinnen und Bürger könnten etwas gegen die weitere Ausbreitung der Tigermücke tun, betont Jerrentrup. Im eigenen Garten sollten etwa Regentonnen abgedeckt, Übertöpfe und Gießkannen ausgeleert oder Kinderspielzeug aufgeräumt werden. Kostenlose Bti-Tabletten würden derzeit aufgrund einer EU-Verordnung nur noch von kommunalen Mitarbeitern ausgegeben, die von der Kabs geschult werden. Der Biologe dämpft indes allzu große Hoffnungen: „Wir rotten die Tigermücke nicht mehr aus, wir können nur versuchen, ihren Bestand so niedrig wie möglich zu halten.“