Der Präses der rheinischen Kirche, Thorsten Latzel, hat für Versäumnisse bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt um Entschuldigung gebeten. Menschen „auf allen Ebenen“ der Evangelische Kirche im Rheinland hätten in der Vergangenheit „dem Schutz des Ansehens der Kirche oder Trägern einen zu hohen Stellenwert“ eingeräumt, sagte Latzel in Düsseldorf. Dem Leid von Betroffenen sei kein gleichwertiger Stellenwert eingeräumt worden.
Das habe den von Missbrauch betroffenen Menschen weiteren Schaden zugefügt, sagte der leitende Geistliche. „Das gehört zur Schuldgeschichte unserer Kirche und auch dafür können wir die betroffenen Menschen nur um Entschuldigung bitten.“ Der Umgang mit Missbrauch und sexualisierter Gewalt sei ein dauerhafter Lernprozess, betonte Latzel. Und dieser sei in der evangelischen Kirche wie auch in der Gesellschaft „bei Weitem nicht abgeschlossen.“
70 Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt in der rheinischen Kirche bekannt
Seit 1946 sind nach Angaben der rheinischen Kirche 70 Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt bekannt, die in den Akten gefunden wurden. Bei einer 2021 eingerichteten Meldestelle wiederum seien bisher 76 Verdachtsmeldungen gemeldet worden. In der kommenden Woche veröffentlicht ein unabhängiger Forschungsverbund eine Studie über sexuellen Missbrauch in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie. Die sogenannte ForuM-Studie veröffentlicht, die möglicherweise eine höhere Fallzahl enthält, weil sich Betroffene ausschließlich an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewendet haben könnten.
„Zentral ist für uns das Anliegen der Betroffenen und die Verhinderung weiterer Fälle“, sagt Dr. Thorsten Latzel in der Pressekonferenz zur #Landessynode 2024, die sich heute auch mit sexualisierter Gewalt beschäftigt.#LS2024https://t.co/BlmTeXAsoL pic.twitter.com/ebFdQtOV4X
— Evangelische Kirche im Rheinland (@ekir_de) January 18, 2024
Im Zusammenhang mit Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind den Angaben zufolge seit 2004 insgesamt 28 Disziplinarverfahren geführt worden – vier davon liefen noch. In elf Fällen habe auch die jeweilige Staatsanwaltschaft ermittelt. Vier Strafverfahren seien wegen eines nicht hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden, eines gegen Auflagen.
Die rheinische Kirche hat knapp 2,2 Millionen Mitglieder und ist damit die zweitgrößte der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Sie ist gegliedert in 37 Kirchenkreise mit insgesamt 605 Kirchengemeinden zwischen Niederrhein und Saar.