Mit der 2018 veröffentlichten MHG-Studie wollte die katholische Kirche in Deutschland das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche ermitteln. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz hatte das Ziel, Formen des Missbrauchs zu beschreiben und kirchliche Strukturen und Dynamiken zu identifizieren, die Missbrauchsgeschehen begünstigen können.
Mehr als 38.000 Personalakten von Geistlichen aus der Zeit von 1946 bis 2014 wurden überprüft. Haupt- oder ehrenamtlich beschäftigte Laienmitarbeiter wurden nicht erfasst, ebensowenig Einrichtungen der Caritas. Bei 4,4 Prozent der Geistlichen gab es Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs. Den 1.670 potenziellen und tatsächlichen Tätern stehen laut der Studie mindestens 3.677 Kinder und Jugendliche gegenüber, die von sexuellem Missbrauch betroffen waren – 62,8 Prozent von ihnen männlich. Bei 54 Prozent der Beschuldigten lagen Hinweise auf ein einziges Opfer vor, bei 42,3 Prozent Hinweise auf mehrere Betroffene – zwischen 2 und 44. Der Durchschnitt lag bei 2,5.
Erstellt wurde die Studie von 2014 bis 2018 von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, des Instituts für Gerontologie der Uni Heidelberg und des Bereichs Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug der Uni Gießen. Das Kürzel MHG steht für die Standorte der drei Forschungsinstitute.
In der Studie wurden die Namen von Tätern und auch die jeweiligen Bistümer nicht genannt. Auch sollte die Untersuchung keine strafrechtliche Relevanz haben. Studienleiter Harald Dreßing betonte bei der Vorstellung, es gebe in der Kirche “spezifische Risikokonstellationen, die Missbrauch begünstigen” – beispielsweise “klerikale Macht, veraltete Sexualmoral, Zölibat und Ausschluss von Frauen in den Männerbünden”.
Die Autoren wiesen zudem darauf hin, dass die Befunde nur das sogenannte Hellfeld widerspiegelten. Das Dunkelfeld sei vermutlich erheblich größer. Dreßing verwies auch auf die eingeschränkte Aussagekraft: So seien Akten vernichtet oder manipuliert worden. Viele Vorfälle seien gar nicht dokumentiert oder nicht bekannt geworden. Auch durften die Forschenden nicht selbst in die Kirchenarchive gehen, sondern waren darauf angewiesen, was ihnen Beauftragte der Bistümer mitteilten.