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Mexikos neue Präsidentin macht Tempo

Claudia Sheinbaum gibt Vollgas. Vor rund 100 Tagen hat die 62-Jährige das Präsidentenamt in Mexiko übernommen – und bereits 13 Verfassungsreformen wurden unter ihrer Regierung durch den Kongress des lateinamerikanischen Landes gebracht. 20 weitere Reformen sind für dieses Jahr geplant.

Vor allem die Rechte ärmerer Bevölkerungsteile will Sheinbaum stärken. Während in vielen Ländern der Sozialstaat unter Beschuss gerät, baut die neue Präsidentin staatliche Transferleistungen aus. Die beliebten Sozialprogramme ließ sie verfassungsrechtlich absichern, darunter eine Pension in Höhe von monatlich umgerechnet rund 150 Euro für alle Bürgerinnen und Bürger über 65. Seit Beginn des Jahres erhalten Frauen zudem schon ab 63 Jahren eine Pension, indigene Frauen sogar ab dem 60. Lebensjahr.

Die linksgerichtete Politikerin war mit dem Ziel angetreten, die unter ihrem Vorgänger und politischem Ziehvater Andrés Manuel López Obrador begonnene „Vierte Transformation“ zu vertiefen. So bezeichnete López Obrador die während seiner Amtszeit (2018 bis 2024) angestrebte Abkehr von der neoliberalen Regierungspolitik.

In der Bevölkerung macht sich Sheinbaum – die erste Frau an der Spitze Mexikos – mit ihrem Kurs beliebt. Laut einer aktuellen Umfrage der konservativen Zeitung „El Financiero“ stieg die Zustimmung für die promovierte Umweltingenieurin seit ihrem Amtsantritt am 1. Oktober im vergangenen Jahr auf 78 Prozent. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Die schwächelnde Opposition kritisiert das Tempo, mit dem viele Vorhaben durchgebracht werden. Und auch Menschenrechtsorganisationen äußern sich besorgt, etwa angesichts der im Dezember beschlossenen Ausweitung der obligatorischen Untersuchungshaft bei Wirtschafts- und Drogendelikten. „Die erweiterte Untersuchungshaft verstößt gegen die Menschenrechte“, betont das UN-Menschenrechtsbüro in Mexiko.

Der in Mexiko prominente Journalist und Politik-Analyst Julio Hernández López beobachtet eine „enorme und historische Konzentration von institutioneller Macht und Unterstützung in der Bevölkerung“. Darin sieht Hernández nicht nur eine Chance für grundlegende Veränderungen, sondern auch Risiken für die Demokratie.

Der organisierten Kriminalität, die Teile Mexikos im Würgegriff hält, will Sheinbaum verstärkt mit Polizeiarbeit beikommen. Kürzlich zog der Leiter des Sekretariats für Sicherheit und Bürgerschutz, Omar García Harfuch, eine erste Bilanz. Demnach gab es seit Oktober landesweit 6.745 Verhaftungen von mutmaßlichen Gewalttätern. Überraschend wurden auch Behördenvertreter in Süd- und Zentralmexiko festgenommen, die mit der organisierten Kriminalität verbunden sein sollen. Die härtere Gangart gegen die organisierte Kriminalität unterscheidet die neue Präsidentin von ihrem Vorgänger López Obrador. Trotzdem kehre der Drogenkrieg nicht zurück, betont Sheinbaum. Es werde weiter an der Beseitigung der strukturellen Ursachen der Gewalt wie Armut und Korruption gearbeitet.

Obwohl Sheinbaum mit Rückenwind in ihre Amtszeit gestartet ist: Der Härtetest steht ihr ab dem 20. Januar bevor, wenn in den USA Donald Trump die Präsidentschaft übernimmt. Mit dem Republikaner ziehe eine Figur aus dem diametral entgegengesetzten Spektrum mit ebenfalls außerordentlicher Machtfülle ins Weiße Haus, warnt der Analyst Hernández. Dabei ist Mexiko nicht nur wirtschaftlich, sondern auch durch die Migrationsströme eng mit dem mächtigen Nachbarland verbunden. Laut Nationalbank überweisen die ausgewanderten Mexikanerinnen und Mexikaner jeden Monat fünf Milliarden US-Dollar in ihre Heimat, mehr als je zuvor. Seit Trump mit massenhaften Abschiebungen droht, kündigt Sheinbaum an, die 38,4 Millionen mexikanischen Migranten zu unterstützen. „Wir werden sie nicht alleine lassen“, sagte sie immer wieder.