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Merkel gegen Unionsforderung: Kein Zurückweisen an Grenze

Sie stellt sich gegen ihre Partei: Altkanzlerin Angela Merkel findet es falsch, Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Das würde die EU schwächen.

Altkanzlerin Angela Merkel hat zum Thema Asyl eine andere Meinung als ihre Partei
Altkanzlerin Angela Merkel hat zum Thema Asyl eine andere Meinung als ihre ParteiImago / Christian Spicker

Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) hält die Forderung der Unions-Parteien für falsch, Asylsuchende an der deutschen Grenze gegebenenfalls zurückzuweisen. „Wir haben Grenzkontrollen eingeführt und vieles Richtige mehr, das zeigt Wirkung. Aber es ist doch eine Illusion anzunehmen, alles wird gut, wenn wir Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen“, sagte Merkel dem „Spiegel“ in einem Interview.

Die EU müsse die Probleme im Zusammenhang mit Migration und Asyl gemeinsam an den Außengrenzen lösen. Sonst stehe es schlecht um die Freizügigkeit und den Binnenmarkt, sagte Merkel und warnte: „Das wäre ein Stück Rückabwicklung der europäischen Integration, mit Folgen, die man nicht abschätzen kann.“

Merkel verteidigt Asyl-Entscheidung von 2015

Die ehemalige Regierungschefin verteidigte einmal mehr ihre Entscheidung von 2015, Flüchtlinge, die in Ungarn festsaßen, nach Deutschland einreisen zu lassen. Sie habe damals das Gefühl gehabt, sie hätte sonst „die gesamte Glaubwürdigkeit der Sonntagsreden über unsere tollen Werte in Europa und die Menschenwürde preisgegeben“. „Die Vorstellung, zum Beispiel Wasserwerfer an der deutschen Grenze aufzustellen, war für mich furchtbar und wäre sowieso keine Lösung gewesen“, ergänzte sie.

Aus Merkels Sicht darf Angst vor terroristischen Anschlägen nicht die Haltung gegenüber Migranten bestimmen. In jeder freien Gesellschaft gebe es fürchterliche Verbrechen. „Auch bei uns fing das nicht erst mit der Zuwanderung an. Entscheidend ist, dass wir, neben der notwendigen Härte des Rechtsstaats, uns nie unsere Werte von Freiheit und Menschenwürde von den Terroristen nehmen lassen, dann hätten die gewonnen“, sagte die 70-Jährige, deren politischen Memoiren unter dem Titel „Freiheit“ am Dienstag erscheinen.

Ein islamistisches Attentat mit drei Toten wie im Sommer in Solingen sei schrecklich, „und natürlich müssen die demokratischen Parteien darüber sprechen, was sie konkret besser machen werden“. „Wenn aber ein islamistischer Terrorist über Wochen die gesamte politische Agenda bestimmt, nicht zuletzt die Rhetorik, dann hilft das weder bei der Lösung des Problems noch gegen die AfD“, sagte Merkel.