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„Mehr braucht kein Mensch“

Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Da kommt ein Trend gerade recht: wohnen auf gerade mal 15 Quadratmetern

Katharina Jaeger

„Für einen Wiener Walzer wird's knapp, aber für eine Rumba reicht's locker“, lacht Peter Pedersen. Mit diesem Spruch führt der Winzighaus-Bauer aus dem schleswig-holsteinischen Neumünster Menschen gern durch sein Tiny House. 15 Quadratmeter reichen bei einem Tiny House (kleines Haus) für alles: Küche, Wohnraum, Essplatz, Schreibtisch, Bad und zwei getrennte Schlafbereiche finden Platz in dem durchschnittlich zweieinhalb auf acht Meter kleinen Minihäuschen. Auch von außen sehen sie aus wie Häuser – nur kleingeschrumpft. Angesichts explodierender Mieten und Grundstückspreise treffen sie den Zeitgeist.

Pedersen kam zu den Tiny Houses, weil er sich über die Mietpreise ärgerte, als sein Sohn anfing zu studieren. Heute verkauft er welche. Wer ein Tiny House betritt, erwartet Enge. Doch vor allem die Deckenhöhe, bei Pedersens Haus sind das 3,20 Meter, öffnet den Raum. Die obere Etage besteht nur aus zwei Galerien mit Betten – der Rest bleibt offen und macht das Erdgeschoss hell und luftig. „Wenn Leute zum ersten Mal reinkommen, sind sie überrascht, schweigen und schauen“, erzählt Pedersen: „Dann sagen sie: ,Mehr braucht kein Mensch‘.“

Wie früher eine Hütte bauen – dieses Gefühl wecken Tiny Houses bei Christian Bock. „Das hat etwas Ursprüngliches: Alle Grundbedürfnisse menschlichen Lebens lassen sich hier verwirklichen“, sagt der Tischlermeister aus dem hessischen Bad Wildungen-Braunau: In den Häuschen ist es warm und trocken, man kann dort essen und schlafen. Auf die Idee, sich ein Zwergenhaus zu bauen, kam er, als er viel unterwegs war. „Hätte ich nur ein Haus dabei“, dachte er sich regelmäßig. Dann wäre er mobil und hätte trotzdem das „Zuhause-Gefühl“.

Also begann Bock, einen Bauwagen auszubauen. „Doch das war nicht so das Haus-Flair“, erinnert sich der Tischlermeister. Er stieß auf die Tiny-House-Bewegung und war angetan. Zeichnete und tüftelte, recherchierte und baute. Und weil er merkte, dass er einen Nerv getroffen hatte, konstruiert er die Häuschen mittlerweile auch für andere, Kosten je nach Ausstattung zwischen 35 000 und 60 000 Euro.
Als minimalistische Hauptwohnung allerdings nutzen seine Kunden die Häuser selten, wie er erzählt. Stattdessen sind sie meist Wochenendhaus im Grünen, Pendlerwohnung, Homeoffice im eigenen Garten oder Gästebereich.
Wer sich sein Tiny Home selbst baut, muss mit etwa 30 000 Euro rechnen, wie in den zahlreichen Blogs zum Thema beschrieben wird. Im Internet hat die Kleine-Häuser-Bewegung nämlich ein großes Zuhause. Viele der Häuschenbauer dokumentieren mit Videos und Beschreibungen den Bauverlauf ihres Tiny Homes, ihr Leben – und ihre Reisen.

Denn ein Tiny House hat in der Regel Räder und kann somit fortbewegt werden. Trotzdem sei es nicht mit einem Wohnwagen zu vergleichen, betont Bock: „Es ist und bleibt ein Haus.“ Wegen des hohen Gewichts sei es nur bedingt mobil und nicht dazu geeignet, fürs Wochenende an den Gardasee zu brettern.
Doch wohin mit dem kleinen Eigenheim, egal ob Jurte oder Tiny House? „Einfach so darf man das Haus nirgendwo aufstellen“, sagt Pedersen. Wenn darin gewohnt werde, gelte es als Immobilie und unterliege dem Baurecht. Im einfachsten Fall ließe sich das mit einer Stellplatzgenehmigung auf dem eigenen Grundstück organisieren.
Oft ist das aber keine Lösung für Winzigwohner. Eine Lösung kann dann sein, sich mit Gleichgesinnten zusammenzutun. Das dachten sich auch Steffi Beck und Philipp Sanders aus München. Auf der Suche nach einem Grundstück für ihr Tiny House verschlug es sie ins bayerische Fichtelgebirge. Dort kauften sie ein 17 000 Quadratmeter großes Grundstück und eröffneten vor Kurzem ein „Tiny House Village“. In ihrem winzigen „Hotel“ können Minimalisten Urlaub machen. Und rundherum, so der Plan, wollen sie ein Dorf aufbauen: Eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig hilft, gemeinsam Musik und Sport macht, gärtnert und isst.

• Peter Pedersen, Geschäftsführer Lintec GmbH, Neumünster (Schleswig-Holstein), https://rolling-tiny-house.de/

• Christian Bock, Tischlermeister, Bad Wildungen-Braunau (Hessen), http://www.bock-tiny-house.de/

• Philipp Sanders und Stefanie Beck, Tiny House Village, Mehlmeisel: www.tinyhousevillage.de, http://bauhauscampus.org/ http://tiny-houses.de/.