Wer Friedrich Nowottny kurz vor seinem 95. Geburtstag anruft, den er am 16. Mai feiern kann, der ist sofort überzeugt: Der Journalist ist sich treu geblieben, ist immer noch der alterslose Mann, der mit Witz, Hintersinn und Schlagfertigkeit als markanter Kopf der Bonner Republik eine TV-Kultfigur wurde.
Wie damals, in den 70er oder 80er Jahren, sind ihm heute Sätze zu entlocken, die so scharf wie feinziseliert sind. Mit wachem Interesse verfolgt Nowottny auch die Diskussion um die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zu der auch der jetzige WDR-Intendant und damalige ARD-Vorsitzende Tom Buhrow im November 2022 mit einer Rede im vornehmen Hamburger Übersee-Club einen Beitrag leistete. Buhrow sagte damals, er spreche nicht als ARD-Vorsitzender, „ich spreche nur für mich“. Die so knappe wie harsche Kritik Nowottnys: „Es gibt keine privaten Äußerungen als ARD-Vorsitzender.“
Da kennt der Journalist, der dieses Amt 1991/92 selbst ausgeübt hat, kein Pardon. So wenig wie gegenüber dem „schrankenlosen Einfluss der Politik“ beim Reformprozess oder gegenüber den Rundfunkanstalten, „die sich bewegen müssen, statt immer neue Luftschlösser zu bauen“. Nowottny hat sich sein ironisch grundiertes Temperament konserviert, ebenso die Fähigkeit, in knapper Form auch komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu bringen.
Peter Voß, als ehemaliger Intendant von Südwestfunk und Südwestdeutschem Rundfunk Nowottny in oberen ARD-Etagen nah und verbunden, konzentriert sein Lob des Jubilars in einem Adjektiv: „Souverän.“ Er schätzt die Unabhängigkeit und Unbefangenheit „gerade auch gegenüber tatsächlichen und vermeintlichen Autoritäten“, auch die Menschenkenntnis und die stets ausgestrahlte innere Sicherheit.
Diese Selbstsicherheit war stets zu spüren, wenn Nowottny im wöchentlichen „Bericht aus Bonn“ die aktuellen politischen Geschicke präsentierte und der Republik in bewundernswerter Konstanz (von 1973 bis 1985) einen Spiegel vorhielt, dessen Oberfläche stets ironisch grundiert war. 571 Mal blinzelte er dabei wissend durch die großen Brillengläser, garnierte seine Stimmlage mit einer Mischung aus überlegener Distanz und lakonischer Nüchternheit. So wurde Nowottny zur Institution, prägte einen Journalismus mit einer Mischung aus Zivilität und erkennbarer Distanz, ohne die innere Nähe zu Themen und Konstellationen zu verleugnen.
Als Intendant konnte er, so kolportierten es Mitarbeiter, durchaus ein „harter Hund“ sein, klare Linien ziehen und Entscheidungen durchsetzen. Seiner Wahl 1985 waren einige Polit- und Gremienquerelen vorausgegangen. Das alles legte sich in Nowottnys zehn Jahre dauernder Amtszeit schnell, in der im WDR die Jugendwelle 1Live entwickelt wurde, das wortgeprägte WDR5 und die Dauerserie „Lindenstraße“ startete. Glücklich auch die Personalpolitik, speziell mit dem zur Nachfolge führenden Kürlauf von Fritz Pleitgen als Hörfunkdirektor.
Nowottny war Volontär, Redakteur und Ressortleiter bei der Bielefelder „Freien Presse“, bevor er beim Saarländischen Rundfunk TV-Chef für Wirtschaft und Soziales wurde, dann stellvertretender Chefredakteur. 1967 lockte ihn der große WDR an den Rhein nach Bonn.