Die Serbin Marina Abramovic ist eine international erfolgreiche Performance- und Konzeptkünstlerin. Nun wirft sie der Kulturwelt zu viel politische Korrektheit vor. Und erzählt, wie sich ihren Lebensabend vorstellt.
Die serbische Künstlerin Marina Abramovic (77) vermisst in der Kulturwelt von heute Humor. “Man kann ja keinen gesunden dreckigen Witz mehr erzählen. Ich hasse das”, sagte Abramovic der “Augsburger Allgemeinen” (Dienstag). Sie ergänzte: “Humor ist so wichtig. Während des Kriegs in Ex-Jugoslawien war das die einzige Möglichkeit, um zu überleben. Und jetzt steckt die ganze Welt im Chaos. Wir brauchen Humor dringender denn je. Aber das ist nicht möglich, denn mit jedem freimütigen Statement kannst du deine Karriere gefährden.” Sie hoffe sehr, dass sich das wieder ändere. “Denn das alles ist unglaublich frustrierend und unnötig.”
Die Künstlerin führte aus: “Wir leben in einer Zeit der politischen Korrektheit, wo fast alles unmöglich scheint.” So müsse sie für eine aktuelle Retrospektive in Amsterdam Kompromisse akzeptieren. “Bei ‘Imponderabilia’, wo die Besucher zwischen zwei nackten Performern hindurchgehen, musste ein zweiter Eingang installiert werden. Die ursprüngliche Performance von ‘Luminosity’, bei der ich mit gespreizten Armen und Beinen auf einem in die Wand montierten Fahrradsattel saß, dauerte sechs Stunden. Hier ist für die Künstler nur eine halbe Stunde möglich. Diese Beschränkungen gab es auch schon bei der Retrospektive in der Royal Academy of Arts in London.”
Gefragt, wie sie finde, dass das Amsterdamer Stedelijk Museum die Ausstellungsbesucher auf eine Hotline für psychische Gesundheit hinweise, sagte Abramovic: “Ich halte das für Blödsinn. Ich kann das absolut nicht nachvollziehen. Aber heutzutage wollen die Menschen in völliger Sicherheit leben. Alles, was gesagt wird, wird kritisch beäugt. Kinder dagegen verstehen meine Arbeiten.”
Angesprochen auf ihren Lebensabend erklärte Abramovic: “Ich möchte in Frieden in einem Kloster sterben. Aber noch bin ich weit davon entfernt, diesen Schritt zu tun. Nachdem ich letztes Jahr an der Grenze zum Tod stand, ist meine Haltung eher die: Ich will arbeiten, bis ich sterbe. Und ich will, wie ich schon sagte, jeden Tag voll Freude erleben.” Es gebe Milliardäre, die mit neuer Technologie 250 Jahre alt werden wollten. “Aber das wäre mir zu kompliziert. Ich finde es wunderbar, wenn man versteht, wann die Zeit abgelaufen ist und man friedlich gehen soll.”