Songs von anderen Künstlern sind für ihn wie Rohdiamanten. Manche sind wertvoll, aber um ihren wirklichen Glanz zu entfalten, müssen sie erst poliert werden. Manfred Mann ist ein Meister, wenn es darum geht, Pop- und Rocksongs völlig neu zu interpretieren und sie dadurch auf ein höheres Qualitätsniveau zu heben. „Mighty Quinn“, „Blinded By The Light“, „Spirits In The Night“, „For You“: Vor allem seine Versionen von Stücken von Bob Dylan und Bruce Springsteen haben dem britischen Keyboarder Manfred Mann weltweit großen Erfolg gebracht. Am 21. Oktober wird er 85 Jahre alt – und er ist noch immer mit seiner „Earthband“ auf Tour.
„Ich spiele Material von anderen Leuten, weil ich kein guter Songschreiber bin“, sagte er einmal. „Wenn ich ein wirklich guter wäre, würde ich das nicht machen.“
Der klassisch geschulte Musiker, der fast immer mit Hut zu sehen ist, kam 1940 als Sohn jüdisch-litauischer Emigranten im südafrikanischen Johannesburg zur Welt. Damals hieß er noch Manfred Sepse Lubowitz. Auch wenn er sich nicht gerne aufbläst: Manfred Mann gilt er als einer der wichtigsten Pop- und Rockmusiker der vergangenen 60 Jahre. Mit seiner Band hatte er zwischen 1964 und 1969 allein 17 Single-Hits. Sein experimentelles Spiel auf dem Moog-Synthesizer prägte die moderne Rockmusik mit.
Er begann in Johannesburg als Jazz- und Rock’n’Roll-Pianist. 1961 wanderte er aus Protest gegen die Politik der Rassentrennung des südafrikanischen Apartheid-Regimes nach England aus. In der kreativen Clubszene im London der „Swinging Sixties“ machte der Brillenträger mit dem charakteristischen Backenbart 1962 mit seiner ungewöhnlichen Popband auf sich aufmerksam: Sie verband mit Saxophon und Flöte Elemente des Rhythm’n’ Blues, Jazz und Pop: leichte Partymusik für Teenager. „Ha! Ha! Said The Clown“, „Pretty Flamingo“, „Mighty Quinn“, „Fox On The Run“ verkauften sich blendend. Der Nonsens-Song „Do Wah Diddy Diddy“ war 1964 Nummer eins der Hitparade in Großbritannien und den USA.
All diese Songs waren Fremdkompositionen anderer Künstler. „Ich mag das Wort ‘Coversong’ nicht“, betonte Mann. „Cover“ meine, dass Ende der 1950er Jahre weiße Musiker die Schallplattenaufnahmen schwarzer Musiker eins zu eins kopiert hätten – und das Geld und den Ruhm einstrichen. „Die originalen Künstler gingen einfach verloren.“ Er aber richte das Augenmerk des Publikums auch auf unentdeckte Songperlen, was den Künstlern nutze.
Am besten gelang ihm die Songveredelung nach eigener Einschätzung bei „Blinded By The Light“ von seinem erfolgreichsten Album „The Roaring Silence“ (1976). Er krempelte den Dylan-Song musikalisch total um und übertraf damit das Original. „Ich bin ein Arrangeur, ein Musiker, aber kein Künstler“, sagte Mann. Seine Arbeitsmethode sei es, „in völliger Respektlosigkeit“ Dinge immer wieder zu spielen, „bis ich bei irgendetwas lande, das anders ist“.
Frustriert davon, nur ein Hit-Lieferant zu sein, löste er 1969 seine Band auf. Mit der 1971 neu gegründeten Formation „Manfred Mann’s Earthband“ wandte er sich dem progressiven, von Synthesizern beeinflussten Rock zu. Im Mittelpunkt standen seine Improvisationen auf dem „Mini Moog“, dessen futuristische Klänge auch Bands wie „Pink Floyd“ oder „Emerson, Lake & Palmer“ einsetzten.
Als „psychedelische Sternstunde“ bezeichnet das Musikmagazin „Eclipsed“ das Konzeptalbum „Solarfire“ (1973), das die Planeten unseres Sonnensystems thematisiert. Aus Bob Dylans Drei-Minuten-Stück „Father Of Day, Father Of Night“ machte Mann ein zehnminütiges Klangepos mit Chor und ausschweifenden Soloeinlagen. Ende der 1970er Jahre wandte er sich mit Alben wie „Watch“ (1978), „Angel Station“ (1979) und „Chance“ (1980) wieder mehr der kommerziellen Popmusik zu.
Gegen den Rassismus in seinem Heimatland Südafrika setzte Mann 1982 mit dem Konzeptalbum „Somewhere In Africa“ ein Zeichen. Dazu lud er schwarze Musiker ein, experimentierte mit afrikanischen Rhythmen und Gesängen. „Ich mag wirklich keine Musiker, die zu den Leuten predigen“, erinnert er sich, „ich als Afrikaner durfte das aber tun.“ Das Album gilt als frühes Beispiel der Weltmusik, die westlichen Rock und Pop mit afrikanischer Musik verbindet.
Bis heute ist Manfred Mann ein hart arbeitender Livemusiker. Besonders beim deutschen Publikum ist er beliebt: Ungefähr die Hälfte seiner mehr als 2.000 Konzerte spielte er hierzulande. Auch in diesem Herbst und Winter sind Auftritte in Deutschland und der Schweiz geplant. „Die Deutschen sind sehr ernst und suchen in der Musik nach Bedeutung“, sagte der publikumsscheue Künstler, der sich auf der Bühne am liebsten hinter seinen Keyboards verschanzt, einmal. „Dabei sind wir normale, lustige Leute.“