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Manchmal fehlen die Worte – Wie man trotzdem helfen kann

Gemeinsam zu schweigen, kann in schwierigen Momenten ein Trost sein. Wer jedoch in einer Krise feststellen muss, dass niemand nachfragt, ist dagegen doppelt belastet. Fachleute haben Tipps gegen Sprachlosigkeit.

Es sei aufschlussreich, wie wenig Leute übrig blieben, wenn man selbst nicht immer der Erste sei, der sich melde: Das schreibt Bestseller-Autor Michael Nast in einem vielbeachteten Beitrag auf dem Portal watson.de. Wahre Freundschaften seien dabei auszusterben, so sein Fazit. Und: Mitunter hätten Gespräche mit Psychologinnen und Psychologen sogar die Freundschaften ersetzt.

Schwierige Momente können Kontakte auf die Probe stellen. Menschen, die schwer erkrankt waren, berichten nicht selten von Bekannten, die sich nie gemeldet hätten, später aber beteuern, sie hätten stets mitgefühlt. Feige sei dieses Verhalten nicht, sagt Christine Hubka, evangelische Theologin und langjährige Hospizbegleiterin. “Da ist eine Unsicherheit da, und bevor ich etwas Falsches mache, vermeide ich die Situation”, erklärt sie.

Ihr Buch “Mehr als Beileid”, das vor kurzem erschienen ist, soll eine Navigationshilfe bei Trauerfällen bieten. Es listet “hilfreiche und weniger hilfreiche Aussagen” auf, schildert konkrete Beispiele und bezieht klar Position: “Wer trauert, ist nicht krank”, heißt es etwa. Wenn die psychiatrische Diagnose einer anhaltenden Trauerstörung gestellt werde, sei vermutlich etwas dran, sagt Hubka. Aber: “Im Normalfall trauern Menschen einfach – sehr unterschiedlich in der Intensität und in der Dauer.”

Hubkas Kernbotschaft: Allzu viele Worte braucht es meist gar nicht von denjenigen, die etwa in Trauerzeiten unterstützen wollen. “Hier ist respektvoll schweigendes Zuhören angesagt”, schreibt sie. Echte Anteilnahme, nachfragen, einfach da sein – das wünschten sich Menschen nach einem Todesfall oft am meisten. Ob jemand auf diese Unterstützung zählen könne, hänge sehr stark davon ab, wie man jenseits von Krisenmomenten eingebettet sei.

Menschen, mit denen man nicht über “Tragiken” des eigenen Lebens sprechen könne, sieht Michael Nast derweil nicht als Freundinnen und Freunde – vielmehr als Ansprechpartner, mit denen man Zeit verbringe, um sich nicht einsam zu fühlen. Die Frage, was echte Freundschaft ausmache, stelle sich verstärkt in einer Gegenwart, “in der die meisten viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um auf andere zu achten”. Sein Rat: “Meldet euch beieinander, seid füreinander da, pflegt eure Freundschaften.”

Nicht jeder Todesfall im Umfeld betrifft eine nahestehende Person. Doch gerade dann könne man unterstützen, betont Hubka. “Es ist viel einfacher, wenn ich beispielsweise den verstorbenen Vater meiner Arbeitskollegin nie kennengelernt habe: Dann kann ich freier auf die betroffene Person eingehen.” Eine Floskel wie “mein herzliches Beileid” helfe wenig. “Warum sollte ich mit-leiden, wenn ich den Verstorbenen gar nicht kannte? Mich berührt vielleicht das Leid der Kollegin, aber es ist nicht meine Geschichte.”

Die entscheidende Frage sei, wen man entlasten wolle: “Mich selbst, damit ich Ruhe habe vor der trauernden Person?” Wem es dagegen um das Gegenüber gehe, der könne einfache Fragen stellen: Wie geht es dir? Was bedeutet das für dich? Wie war die letzte Zeit, die ihr zusammen verbracht habt? Angebote und Versprechen solle man nur machen, wenn diese auch realistisch seien. Dagegen sei ein Satz wie “ruf mich an, wenn du etwas brauchst” wenig hilfreich, weil er “von dem trauernden Menschen eine Aktivität verlangt, zu der er oder sie im Moment gar nicht fähig ist”.

Hubka sieht auch den veränderten Umgang mit Tod und Sterben als Ursache für eine häufige Sprachlosigkeit. “Es gibt Menschen, die sind 50 oder 60 Jahre alt und waren noch nie mit dieser Situation konfrontiert. Es gibt keine Übungsfelder.” Hinzu komme der verbreitete Impuls, etwas Positives sagen zu wollen. “Das Ergebnis ist dann meist eher daneben”, sagt die Expertin.

Der Tod sei jedoch ein Teil des Lebens, und es sei sinnvoll, schon mit den Jüngsten darüber zu sprechen. Hubkas Buch bietet auch dafür konkrete Tipps. “Man kann niemanden vor dem Tod schützen”, betont sie. “Niemand hält Kinder vom Straßenverkehr fern, obwohl der sehr gefährlich ist. Nur aus der Erfahrung heraus lässt sich ein Umgang mit diesen Themen entwickeln.”