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Malis ungewisse Zukunft

Die UN-Friedensmission in Mali ist nach zehn Jahren Geschichte. Dabei haben die Angriffe terroristischer Gruppierungen zuletzt weiter zugenommen. Wer sorgt nun für Ordnung in dem Krisenland?

Offiziell bestätigt hat Malis Übergangsregierung unter Assimi Goita den Angriff in der Region Segou im Zentrum des Landes noch nicht. Ersten Medienberichten zufolge haben Bewaffnete dort am Dienstag den Ort Farabougou überfallen und mindestens fünf Zivilisten umgebracht. Eigentliches Ziel war allerdings eine Kaserne in der Nähe. Laut unterschiedlichen Schätzungen wurden dort zwischen 20 und 30 Soldaten getötet.

Der Ort liegt keine 150 Kilometer nordöstlich von der Hauptstadt Bamako entfernt. Terrorbewegungen wie der “Islamische Staat der größeren Sahara”, aber vor allem die “Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime” (JNIM) breiten sich längst in Richtung Süden aus. Experten warnten bereits vor Jahren, dass der Abzug der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen für Malis Norden (Minusma) dies beschleunigen könnte.

Offiziell ist die Mission, an der auch die Bundeswehr beteiligt war, seit Mitte Dezember beendet. Schon während des Abzugs wurde deutlich, dass bewaffnete Gruppen ohne Präsenz der Blauhelmsoldaten leicht ganze Städte besetzen können. JNIM verhinderte beispielsweise ab August die Lieferung von Nahrungsmitteln und Medikamenten in die Unesco-Weltkulturerbestadt Timbuktu. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen teilte zu Wochenbeginn mit, dass sie dort einen Teil ihrer Angebote vorübergehend einstellen müsse. Wegen der eskalierenden Gewalt seien Menschen von der Gesundheitsversorgung weitgehend abgeschnitten. Die Lebensmittelpreise haben sich überdies vervielfacht.

Besonders leiden Kinder und Jugendliche. Nach Angaben von Save the Children sind in Timbuktu knapp 74.000 von der Belagerung betroffen. Aus Angst vor Überfällen bleiben außerdem in diesem Schuljahr mehr als 1.700 Schulen geschlossen – jede fünfte im Land.

Der Minusma-Abzug hinterlässt noch eine weitere bedenkliche Lücke. Die Mission veröffentlichte regelmäßig Berichte zu Menschenrechtsverletzungen aller Konfliktparteien. Es ist unklar, ob diese Aufgabe nun von der nationalen Menschenrechtskommission oder externen Beobachtern übernommen werden kann.

Auch Journalisten stehen vor großen Schwierigkeiten. Nach Informationen der Organisation Reporter ohne Grenzen töteten Bewaffnete in der Stadt Gao Anfang November einen Reporter des Kommunalradios “Naata”. Ein Journalist, der für den Sender “Alafia” arbeitet, wurde verletzt. Außerdem verschleppten sie zwei weitere Mitarbeiter von Radio “Coton”. Es heißt, dass es Lösegeldforderungen in Höhe von rund 10.000 Euro gebe. Die malischen Behörden äußern sich nicht dazu. Derzeit befinden sich insgesamt vier malische Journalisten in Geiselhaft.

Nach einem Jahr freigelassen wurde Ende November der Missionar Hans-Joachim Lohre, der aus dem ostwestfälischen Hövelhof stammt. Er hatte jahrzehntelang in Mali gelebt und sich für den interreligiösen Dialog eingesetzt – bis er vor seinem Haus in Bamako entführt wurde. Die kolumbianische Ordensfrau Gloria Cecilia Narvaez war von 2017 bis 2021 in der Gewalt von Entführern.

Als Erfolg verkündeten die malischen Streitkräfte Mitte November die Rückeroberung der Stadt Kidal, die bisher Hochburg der Tuareg-Rebellen war. Nach der jüngsten Rebellion von 2011 und 2012 hatte der Staat keine wirkliche Kontrolle mehr über den Ort erlangt. Vollständig besetzten die Rebellen sie im Jahr 2014. Dass der Staat dort nun wieder präsent ist, hat einigen Symbolcharakter.

An dem Militäreinsatz beteiligt waren auch Söldner der russischen Wagner-Gruppe, die in den vergangenen Jahren zum bevorzugten Partner der malischen Armee geworden ist. Russland gelingt es so, seinen Einfluss auf dem Kontinent auszubauen. Den Söldnern wie den malischen Soldaten wurden zuletzt mehrfach Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.