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Malaysisches Gericht kippt 16 Schariagesetze

Manche sprechen von einem “historischen Urteil”: Etliche menschenverachtende Gesetze eines malysischen Bundesstaats haben keine Geltung mehr. Allerdings bleibt der Einfluss der Scharia in dem südostasiatischen Land groß.

Das Oberste Gericht von Malaysia hat 16 Schariagesetze im Bundesstaat Kelantan für verfassungswidrig erklärt. Die entsprechenden Bestimmungen im Strafgesetzbuch seien “nichtig und ungültig”, hieß es laut der amtlichen Nachrichtenagentur Bernama in dem am Freitag von acht der neun Richter gefällten Urteil. Das Parlament von Kelantan habe nicht das Recht, Gesetze zu erlassen, deren Gegenstand unter die Befugnisse des malaysischen Parlaments falle.

Zugleich hätten die Richter jedoch betont, das Urteil stelle nicht den Islam und die Schariagesetzgebung in Malaysia in Frage. In ersten Reaktionen auf das Urteil sagten Experten malaysischen Medien, die “bahnbrechende” Entscheidung werde sich auf die Rechtmäßigkeit ähnlicher Schariagesetze in anderen Teilen des mehrheitlich muslimischen Landes auswirken.

Der Fall hat bei einigen konservativen muslimischen Gruppen für Aufruhr gesorgt, die eine Untergrabung der Stellung des Islams und des Schariarechts in Malaysia befürchten. Premier Anwar Ibrahim betonte am Freitag, seine “Regierung der Einheit” habe keinen Einfluss auf die Richter genommen. Die nationalistisch-islamische Opposition sieht die “Regierung der Einheit” als Gefahr für den Islam, weil die säkulare, sozialdemokratische Partei DAP Teil der Koalition ist. Die DAP wird von Christen und Buddhisten der ethnischen Minderheit der malaysischen Chinesen dominiert.

Malaysia, dessen Bevölkerung zu rund zwei Dritteln muslimisch ist, hat ein zweigleisiges Rechtssystem mit islamischem Straf- und Familienrecht, das für Muslime gilt, und säkularen Gesetzen. Islamische Gesetze erlassen die Parlamente der Bundesstaaten, während säkulare Gesetze vom malaysischen Parlament verabschiedet werden.

Die Verfassungsklage wurde von einer Anwältin aus Kelantan und ihrer Tochter gegen Schariagesetze eingereicht, die der Landtag verabschiedet hatte und die 2021 in Kraft traten. Darunter sind Bestimmungen, die Homosexualität, Inzest, Glücksspiel, sexuelle Belästigung und die Schändung von Gotteshäusern unter Strafe stellen.

Seit der Wahl 2022 ist die islamistische PAS stärkste Oppositionspartei im malaysischen Parlament. Kelantan an der Grenze zu Thailand wird seit Jahren von der PAS regiert. Sie setzte in Kelantan viele islamische Regelungen des gesellschaftlichen Lebens durch, etwa die Trennung von Geschlechtern in Warteschlangen in Supermärkten und auf Bänken sowie weitgehende Einschränkungen von öffentlichen Vernügungsstätten zur Verhinderung “anzüglichen Verhaltens”. Die Initiative zur Einführung von Strafen wie der Amputation von Gliedmaßen bei Diebstahl und der Hinrichtung wegen Blasphemie wurden jedoch von der malaysischen Regierung aus verfassungsrechtlichen Gründen verhindert.