UK 26/2015, Luther (Seite 4: „Antisemitismus bei Martin Luther: Juden erwarten Distanzierung“)
Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fordert mit vollem Recht anlässlich des Reformationsjubiläums von der Repräsentanten der evangelischen Kirchen ein entsprechend „deutliches Zeichen“.
Umso notwendiger ist es, sich gerade als lutherisch-evangelischer Christ einmal klarzumachen, in welchem historischen Kontext der Reformator sogar noch einer „Verschärfung der zeitgenössischen Repressionen“ (Wolf-Dieter Hauschild) zustimmte …
1. In seiner reformationstheologischen Frühzeit befleißigte Luther sich noch eines verhältnismäßig moderaten Tones, denn es ging auch ihm zunächst um gesellschaftliche Integration durch Bekehrung der Juden – so fraglich auch „Judenmission“ schon damals zu sehen gewesen wäre … (vgl.: „Daß Jesus ein geborener Jude sey“, 1523)
2. Eine uns Heutige in Ton und Inhalt geradezu erschreckende Schärfe in Sachen Judentum erlaubte sich Luther in seiner reformationstheologischen Spätzeit, so 1538 in seinem Brief „Wider die Sabbather“, vor allem aber 1543 in seinem Traktat „Von den Juden und ihren Lügen“. Vom historischen Kontext her wird vor allem auf spezifisch theologische, konfessionspolitische sowie rechtspolitische Gründe hingewiesen, zumal auf die Verbesserung der Gesamtlage der Juden durch das von Karl V. gewährte „Privileg 1544“. So sah wohl auch der (alternde) Luther die (angebliche) Gefahr einer Ausbreitung des Judentums.
Gerade auch als schöpfungstheologisch wie bibelexegetisch durchgebildeter Gottesmann hätte es zu einer solchen Fehlhaltung keineswegs kommen dürfen – geschweige denn zur Befürwortung von Maßnahmen, deren bloße Nennung (Vermögenswegnahme, Gottesdienstverbot, Synagogenverbrennung!) einem noch heute – und gerade heute – gleichsam an Stelle von Luther die Schamröte ins Gesicht treibt.
Dr. theol. Dieter Burkert, Dortmund
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