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Lob des weißen Goldes

Die Porzellankirche bei Jena überrascht durch ihre klare Eleganz. Die über fünf Meter hohen Porzellanlamellen im Innenraum sollen an die Säulen einer gotischen Kathedrale erinnern

Maik Schuck

Amtsburg war sie und Jugendherberge, Zuchthaus und Irrenanstalt, Armenhaus und Kreisheimatmuseum: Die Leuchtenburg im ostthüringischen Seitenroda kann auf eine wechselvolle Historie zurückschauen. 1221 erstmalig urkundlich erwähnt, ist sie seit Kurzem um eine weitere Geschichte reicher: Auf der Leuchtenburg steht Deutschlands erste Porzellankirche. Zur Weihe stehen die Karossen auf dem engen Pflaster dicht an dicht. Der Ministerpräsident ist da und der Oppositionsführer, der evangelische Regionalbischof und der katholische Dekan und viele Schaulustige.

Prominenter Besuch bei der Einweihung

In der Woche zuvor ist es still. Nebel hängt über dem Saaletal, weit lässt sich nicht sehen. In sanfter Kurve führt vom neuen Parkplatz der Weg hinauf zur Burg. Er ist, wie alles hier, trefflich saniert. Nach 500 Metern Anstieg kommt das Burgtor, daneben der markante Bau des modernen Besucherzentrums. Hier gibt es die Tickets und eine freundliche Wegbeschreibung. Durch das Tor, immer geradeaus und hinein in die innere Burg; dort dann gleich wieder rechts.
Der Weg ist kurz und führt doch an viel Veränderung vorbei. Rechts lädt die mittelalterliche Schänke ein, links die Porzellanwelten. Seit 2007 sind hier 15 Millionen Euro investiert worden, um die Geschichte des weißen Goldes und seine Bedeutung für Thüringen modern und aufregend darzustellen. Die größte Porzellanvase der Welt steht hier – sie ist sechs Meter hoch – und die kleinste Teekanne des Planeten. Sie misst gerade mal drei Millimeter. Sechs Porzellanwelten erwarten die Besucher.
Die siebte, der Schlussstein des ganzen Vorhabens, ist die Dreieinigkeitskapelle. Der Innenraum, entworfen vom Amerikaner Michal Brown, soll den Ruhm der Leuchtenburg weiter mehren: als erste Porzellankirche der ganzen Republik. Davon ist zunächst nichts zu sehen. Vom aufgearbeiteten Boden bis hinauf zur fast sechs Meter hohen Decke versperren Spiegel die Sicht. Erst auf der anderen Seite dieser Riesenlamellen, im Kirchenraum mit Blick zum Altar, kommt der wahre Augenöffner.
30 Lamellen umringen den Kirchenraum mit seinen massiven Sitzblöcken aus Eichenholz. Elliptisch angeordnet schaffen sie eine Art Vorhang. Ihre Vorderseiten bedecken drei Millimeter dünne Platten aus einem technischen Porzellan eines spanischen Herstellers, an den Seiten blitzt das Chrom der Fassungen. Den kantigen Altar und das Deckenoval schmücken schlichte Lichtkreuze.

Die Kapelle ist klein, aber fein und elegant

Ein Raum im Raum. Der Architekt, ein Schüler von Daniel Libeskind, geht in seinen Intentionen noch einen Schritt weiter. Die über fünf Meter hohen, weißen Lamellen sollen an die Säulen einer gotischen Kathedrale erinnern, zwischen denen sich plötzlich der Blick in die Seitenschiffe weitet. Doch auch ohne diese Erklärung lässt sich die Kapelle genießen; sie mag zwar klein sein, doch ihre klare Eleganz lässt sie in Reinheit leuchten.
Aber auch an die dunklen Flecken der Burggeschichte soll erinnert werden. 5200 Menschen waren hier über anderthalb Jahrhunderte im Zuchthaus eingekerkert. Zu den Fußeisen und den Fesseln an den Händen gibt es knochenharte Arbeit. Der Gottesdienst und die Unterrichtung in Lesen und Schreiben, für die der Gefängnispfarrer auch zuständig ist, machen die Kapelle zur Zuflucht.
Ein Hochleistungsbeamer übernimmt künftig die Erinnerungsarbeit. Er wirft 5200 Punkte an die Porzellanlamellen, die gemeinsam die Silhouette der Burg bilden. Das Publikum zur Kirchweihe ist zumindest von einer ersten, temporären Aufführung des Punkte-Konzerts beeindruckt, auch die Menschen im Rittersaal, in den das Spektakel aus der rappelvollen Kapelle übertragen wird. Viele wollen bald wiederkommen – zu einem Gottesdienst, einem Orgelkonzert, einer Taufe oder einer Hochzeit. Die nächste Gelegenheit dazu ist am 31. Oktober, dem Reformationstag.