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Lieber Gott, segne flott

Kurz, gereimt, humorvoll: Gebete dürfen Spaß machen. Denn dass wir Gott danken können, dass er uns leben lässt, wird uns doch beim Essen bewusst. Warum also kein Tischgebet sprechen? Wem kein eigenes einfällt, für den gibt es viele kreative Ideen

WavebreakMediaMicro - Fotolia

„Wo gibt es denn das sonst noch?“, fragt Martina Liebendörfer, „dass man so natürlich und normal einen Bezug zu Gott herstellt?“ Die Referentin für Mutter-Kind-Gruppen bei den evangelischen Frauen in Württemberg ist ein Fan von Tischgebeten. Sie hat kleine Kärtchen mit Bildsymbolen entworfen, auf denen je ein kurzes Gebet zum Mittagessen steht. Damit auch die Kleinsten sich ein Verslein aussuchen können, ist jede Karte mit einem Symbol versehen.
Dort, wo ein Besen abgebildet ist, steht der Spruch: „Gott lass deinen Segen über dieses Essen fegen.“ So lockere Gebete stehen da drin? Ja. Denn Liebendörfer findet: Spaß darf nicht zu kurz kommen. Natürlich darf eine gewisse Ernsthaftigkeit nicht fehlen. Aber als Erstes steht das Gefühl im Vordergrund: „Klasse, dass wir so eine tolle Welt haben, auf der so viel wächst“, sagt Liebendörfer.
Neben diesem Gefühl der Freude und Dankbarkeit vermittelt das Tischgebet noch etwas anderes: Es ist ein gemeinsamer Start. Kinder und Eltern fangen nicht einfach an, irgendwann zu essen, sondern erleben gemeinsam die Mahlzeit. Natürlich fällt das vielen Eltern schwer. Oft sind die Gebete, die Eltern noch kennen, in altertümlicher Sprache. Außerdem ist vielen Beten fremd geworden. Trotzdem wollen Eltern häufig wieder Rituale einführen. Weil ihre Unsicherheit groß ist, freuen sie sich dann über vorformulierte Gebete. Vor allem über solche, die man sich leicht merken kann.
Liebendörfer hat versucht, wichtige Kriterien einzuhalten: Vor allem sollen die Gebete kurz sein, nicht mehr als vier Zeilen. Am liebsten hat sie die Reimform. „Lieber Gott, segne flott“, zum Beispiel. Kurz, gereimt und humorvoll. Denn Spaß machen soll es eben auch. Dazu hilft, wenn Dinge konkret benannt werden. Der Dank gilt nicht dem Essen, sondern dem Saft, dem Gemüse und dem Brei.
Ein wichtiger Aspekt – im Gegensatz zu Morgen- und Abendgebeten – ist der Gemeinschaftscharakter von Tischgebeten. „Es geht um mich und um uns.“ Die Tischgemeinschaft ist immer größer als das Ich. Von dieser Gemeinschaft darf sich aber niemand unter Druck gesetzt fühlen. Sätze wie „Los, Max, bete du auch mal“ sind für Liebendörfer nicht in Ordnung. Wer nicht beten will, muss auch nicht. Allerdings müssen Kinder akzeptieren, dass die Eltern dann das Gebet sprechen.
Singen, Klatschen, Bewegung: Tischgebete können Spaß machen. Sie wecken Dankbarkeit und Freude und werten das Mittagessen auf. Zu Tisch sitzen ist mehr als Nahrungsaufnahme. Liebendörfer hat in Mutter-Kind-Gruppen erlebt, dass in vielen Familien jeder zu einem anderen Zeitpunkt isst. „Da geht so viel verloren“, sagt sie. Denn das gemeinsame Essen sei ein Ort des Austauschs. Was ist in der Schule passiert? Wie geht es dir im Sport, beim Musikunterricht?
Essenszeiten geben Struktur und Rhythmus. Und die Tischgebete geben der Mahlzeit einen Anfangspunkt. Liebendörfer ist überzeugt, dass Regeln und Rhythmus wichtig sind. Sie führen Kinder wie ein Geländer. Der Mensch ist auf Rhythmus angelegt: in der Musik, in Gedichten, im Wechsel von Tag und Nacht, im Wechsel der Jahreszeiten und des Kirchenjahrs. „Zu wissen, was passiert, hilft“, sagt sie. Uferloses, nach allen Seiten offenes Leben falle Kindern schwer. Wichtig sei allerdings, sich dem Alter anzupassen. Einfache Reime sind nichts mehr für Pubertierende. Mit älteren Kindern könne man dagegen vielstimmige Lieder singen. Liebendörfer hat mit ihren älteren Kindern eine Zeit der Stille vor dem Essen eingeführt. Und wenn die Jugendlichen gar nicht mehr mitmachen wollen, „beten die Eltern und die Kinder halten es aus“.