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Letzter Band zu Heranwachsenden in DDR-Spezialeinrichtungen vorgelegt

Der dritte und letzte Band „Kinder und Jugendliche in sonderpädagogischen, psychiatrischen und Behinderteneinrichtungen in den DDR-Nordbezirken“ des Forschers Falk Bersch ist am Dienstag bei einer Tagung in Schwerin vorgestellt worden. „Es ist unsere Verantwortung, dass das Leid und Unrecht gesehen und anerkannt werden, welches den zahlreichen Betroffenen zwischen 1949 und 1990 in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und in stationären psychiatrischen Einrichtungen zugefügt wurde“, erklärte Sozialministerin Stefanie Drese (SPD), wie das MV-Sozialministerium mitteilte. „Erlittenes Unrecht unmissverständlich anzusprechen, es historisch einzuordnen und in die Öffentlichkeit zu bringen, sind wir den Opfern schuldig.“

Heranwachsende mit Behinderungen seien in ganz besonderer Weise der Willkür des Erziehungs- und Pflegepersonals, aber auch den oft unwürdigen Bedingungen in den Einrichtungen ausgeliefert gewesen, sagte Drese. Im Auftrag des Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur ist in den zurückliegenden Jahren das Schicksal von Heranwachsenden in sonderpädagogischen, psychiatrischen und Behinderteneinrichtungen in den DDR-Nordbezirken erforscht worden. Dafür dankte Drese dem Landesbeauftragten Burkhard Bley und dessen Vorgängerin Anne Drescher.

Rund 140.000 Heranwachsende waren den Angaben zufolge von 1949 bis 1990 in der DDR zeitweise stationär in Einrichtungen der Behindertenhilfe und in psychiatrischen Anstalten untergebracht. Bei der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ hätten knapp 24.000 Betroffene Leistungen erhalten, weil sie körperliche, psychische, sexualisierte Gewalt, Essenszwang, ungerechtfertigte medizinische und therapeutische Maßnahmen und anderes Leid und Unrecht über sich hätten ergehen lassen müssen und noch heute an Folgewirkungen litten, hieß es. „In Mecklenburg-Vorpommern haben laut Abschlussbericht der Stiftung insgesamt 1.638 von diesen Betroffenen Leistungen in einer Gesamthöhe von knapp 15,2 Millionen Euro erhalten“, sagte Drese.

Die im Januar 2017 bei der Landesbeauftragten für MV für die Aufarbeitung der SED-Diktatur eingerichtete Anlauf- und Beratungsstelle der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ hat in ihrer Laufzeit vom 1. Januar 2017 bis zum 28. März 2023 Menschen unterstützt, die als Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in stationären psychiatrischen Einrichtungen Leid und Unrecht erfahren haben. Ziel der Stiftung sei es gewesen, die damaligen Verhältnisse und Geschehnisse öffentlich anzuerkennen, wissenschaftlich aufzuarbeiten und das Betroffenen widerfahrene Leid und Unrecht durch Gespräche individuell anzuerkennen.

Als Bestandteil der individuellen Anerkennung sollten Betroffene, bei denen aufgrund erlittenen Leids und erlebten Unrechts während der Unterbringung zum Zeitpunkt der Anmeldung noch eine Folgewirkung bestand, Anerkennungs- und Unterstützungsleistungen erhalten. Die Unterstützungsleistung wurde als einmalige pauschale Geldleistung in Höhe von 9.000 Euro ausgezahlt.

Die Stiftung wurde von Bund, Ländern und Kirchen für Betroffene in Ost und West laut Sozialministerium mit insgesamt 288 Millionen Euro ausgestattet. MV habe sich mit 5,9 Millionen Euro an der Stiftung beteiligt.