FRANKFURT A. M. – Im Rechteck sitzen die Mädchen und Jungen der fünften Klassen im Raum, die Jungs tragen eine Kippa, einer hat die Kapuze seines Pullis hochgezogen. Die Abbildung eines siebenarmigen Leuchters ziert eine Schrankwand. Religionsunterricht in der jüdischen I. E. Lichtigfeld-Schule in Frankfurt am Main. „Welchen Feiertag feiern wir im neuen Monat Adar?“, fragt die Lehrerin. Viele Hände fahren in die Höhe: „Purim!“ – „Was ist das?“ – „Wir verkleiden uns und feiern, dass die Königin Esther den Plan des persischen Ministers Haman durchkreuzt hat, die Juden umzubringen“, erklärt eine Schülerin. Zur Gitarre singen die Kinder Purimlieder aus vollen Kehlen, manche wiegen den Oberkörper im Takt dazu.
„Die jüdische Schule kennzeichnet, dass Werte der Tora, des jüdischen Gesetzes, in den Unterricht einfließen“, erklärt Schulleiterin Noga Hartmann. Die nach dem früheren hessischen Landesrabbiner Isaak Emil Lichtigfeld (1894-1967) benannte Einrichtung war die erste jüdische Schule in der Bundesrepublik. Am 18. April 1966 wurde sie eröffnet. Am 13. Juli feiert die Jüdische Gemeinde Frankfurt das Jubiläum.
Ein Fünftel der Schüler ist nicht jüdisch
Es würden nicht nur die jüdischen Feiertage begangen, erläutert Hartmann. Im Deutschunterricht lesen die Schüler Texte mit Bezügen zum Judentum, auf Klassenfahrten feiern sie Gottesdienste und halten Sabbat. Zusätzlich zum staatlichen Lehrplan gibt es die Fächer Iwrit (Neuhebräisch), jüdische Religion und jüdische Geschichte.
Rund ein Fünftel der 400 Schüler ist laut Hartmann nicht jüdisch. Die Schule hat ein staatliches Gütesiegel der Hochbegabtenförderung verliehen bekommen. Auch die Werteerziehung und die Sicherheit der Schüler seien Argumente für nicht-jüdische Eltern.
Zurzeit umfasst die Schule eine Grundschule und ein Gymnasium bis zur neunten Klassenstufe mit Ganztagsunterricht. Die Eltern bezahlen ein monatliches Schulgeld von 290 Euro für die erste Klassenstufe, bis zu 410 Euro ab der fünften Klassenstufe, Geschwister erhalten Ermäßigungen.
Seit zehn Jahren befindet sich die Schule wieder an einer historischen Stätte der jüdischen Bildung in Frankfurt. Das denkmalgeschützte, vor mehr als 100 Jahren errichtete vierstöckige Gebäude mit Turm und Putzschmuck in der Hebelstraße beherbergte einst das weithin bekannte Philantropin – auf deutsch: „Stätte der Menschlichkeit“. Die 1804 gegründete jüdische Schule Frankfurts nahm auch christliche Kinder auf und beherbergte in ihren Hoch-Zeiten fast 1000 Schüler. 1942 wurde sie von den Nazis geschlossen, die verbliebenen Schüler und Lehrer deportiert und die meisten ermordet.
Bildung als „A und O“ des Judentums
Als 1966 die I. E. Lichtigfeld-Schule gegründet wurde, zogen die ersten 30 Schüler einer ersten und zweiten Klassenstufe zunächst in einen Seitenflügel der Synagoge im Westend ein. „Der Gemeinderat vertritt die Überzeugung, dass Bildung das A und O des Judentums ist“, sagt Hartmann. Die Schule stehe für die Zukunft der jüdischen Gemeinde. Auch daher entwickelt sich die 50 Jahre alte Lernstätte weiter: „Wir wollen unbedingt eine gymnasiale Oberstufe.“ Im Schuljahr 2018/19 soll der Aufbau mit zwei zehnten Klassen beginnen.