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Lehrerverband warnt: Wissen zum Holocaust schwindet

Heute gebe es kaum noch Schüler, die durch Gespräche mit den Großeltern oder durch Kinder- und Jugendliteratur ein Grundwissen über den Nationalsozialismus mitbringen würden. Manche Schüler seien zudem kaum noch erreichbar.

Viele Kinder und Jugendliche wissen nach Einschätzung des Verbands der Geschichtslehrer kaum noch etwas über den Nationalsozialismus. 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs breche das Vorwissen darüber ein, stellt Niko Lamprecht, der Vorsitzende des Verbands, fest. “Schüler, die Klassiker wie ,Als Hitler das rosa Kaninchen stahl’ gelesen haben, gibt es nur noch im Promille-Bereich”, berichtet er im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Lamprecht bemängelt, dass für immer weniger Menschen Bildung ein Wert an sich darstellt. “Wir haben zunehmend Probleme mit deutlich ausgeweiteten bildungsfernen Schichten”, erklärte der Vorsitzende, der zudem Schulleiter eines Oberstufengymnasiums in Wiesbaden ist. Auch Online-Plattformen sieht er als Grund für das Unwissen: “Die sozialen Medien wie zum Beispiel Tiktok fressen die Zeit junger Leute.” Es sei eine große Verlockung für sie, sich dort in Unterhaltung oder in “Fake News” zu verlieren.

Zudem mache die zeitliche Distanz für junge Menschen heute “natürlich einen Unterschied”. So sei es etwas anderes, wenn der eigene Opa oder die Oma erzählt oder ob es die Geschichtslehrkraft tue. “Aber Gedenkstättenbesuche wirken auch heute noch”, betonte Lamprecht. Der Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer fordert deshalb eine finanzielle Förderung der Fahrten zu NS-Gedenkstätten – zum Beispiel in Form eines bundesweit einheitlichen Zuschusses. “Bislang ist allein schon die Organisation einer solchen Reise zu einer Gedenkstätte ein Hürdenlauf”, so Lamprecht.

Besonders schwierig sei die Vermittlung des Holocaust seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023. Die sozialen Netzwerke seien übergequollen vor Antisemitismus. “Gerade bei Kindern und Jugendlichen, deren Familie aus arabischen Staaten kommt, arbeiten wir oft gegen Windmühlenflügel”, sagte Lamprecht. Israelfeindliche und antisemitische Narrative, die in der Familie erzählt würden, seien sehr schwer aufzubrechen. Lamprecht: “Aber man muss es versuchen.”