Es ist Sonntagnachmittag in der Auferstehungskirche in Bad Oeynhausen. Das „Café im Foyer“, wie das Kirchencafé der Evangelischen Altstadtgemeinde heißt, ist gut besucht. In der Kirche laufen die Vorbereitungen für den Internationalen Abendgottesdienst. Er findet monatlich statt. Kurgäste und Besucher kommen in die Kirche, bestaunen das berühmte Chorfenster des Künstlers H. G. von Stockhausen. Manche zünden eine Kerze an und gehen wieder. Andere kommen kurz vor 17 Uhr wieder, darunter auch eine junge Mutter aus Westafrika mit ihren beiden Kindern. Dann beginnt der Internationale Abendgottesdienst. Im Altarraum steht eine Ikone. Kerzen brennen davor. „Die Ikone erinnert uns daran, dass das Christentum seinen Ursprung im Orient hat“, sagt Pfarrer Christian Hohmann zu Beginn. „Mit den Christen dort fühlen wir uns besonders verbunden, denn sie sind heute in einer sehr bedrückenden Lage.“
Zwischen 30 und 50 Menschen nehmen inzwischen regelmäßig an diesem Gottesdienst teil. „Für mich bedeutet der Internationale Gottesdienst ein paar Stunden wirkliche Gemeinschaft inmitten einer Welt, die es immer häufiger an Gemeinsamkeit vermissen lässt“, so Markus von Reden, der seit Anfang an am Internationalen Abendgottesdienst teilnimmt und als Lektor mitwirkt. Nida Pypetz, die aus den Philippinen stammt, betont: „Für mich ist der Internationale Gottesdienst eine Bereicherung für mein spirituelles Leben. Hier sind wir alle gleich, egal welcher Farbe, Religion und Kirche. Man gehört dazu.“
In und um Bad Oeynhausen leben inzwischen viele Menschen anderer Herkunft und Sprache. Aus beruflichen Gründen, durch Heirat oder weil sie aus ihrem Land fliehen mussten, sind sie in den ostwestfälische Kurort gekommen. „Deshalb hatten wir 2007 die Idee, einmal im Monat einen englischsprachigen Gottesdienst in der Auferstehungskirche zu feiern“, berichtet Pfarrerin Joy dela Cruz. Sie ist Pfarrerin der Vereinigten Kirche Christi in den Philippinen. Seit 2006 lebt sie mit ihrem Mann in Bad Oeynhausen. „Als Zeitpunkt wählten wir den späten Sonntagnachmittag. Die ersten, die an diesen Gottesdiensten teilnahmen, hatten ihre Wurzeln in Großbritannien, Italien, Indonesien und den Philippinen. Es kamen auch regelmäßig Kur- und Tagesgäste, die nicht Englisch sprachen, aber um diese Zeit gerne einen Gottesdienst besuchen wollten“, berichtet sie. So wurde aus dem „englischsprachigen“ Gottesdienst ein „Internationaler Abendgottesdienst“.
Die biblischen Lesungen werden bewusst in verschiedenen Sprachen vorgetragen. Daran beteiligen sich Menschen aus den USA, aus England, Italien, Philippinen, Eritrea und Deutschland. Auch die Lieder werden in mehreren Sprachen gesungen. Die Liturgie und Predigt sind weitgehend in deutscher oder englischer Sprache. An diesem Abend predigt Pfarrerin dela Cruz über Jesu Worte aus Matthäus 25, 43: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen“. „Dieser Text lässt uns unser eigenes Fremdsein in der Welt erkennen. Zugleich macht er uns Mut, uns füreinander zu öffnen. Ich bin für dich genauso fremd wie du für mich. Lasst uns deshalb neugierig aufeinander sein und uns gegenseitig willkommen heißen.“
Seit der Einrichtung des Café im Foyer ist das anschließende Zusammensein bei Kaffee, Tee und Kuchen sehr wichtig geworden. Man lernt sich untereinander kennen. Freundschaften entstehen, die auch für den Alltag wichtig werden. Fahrgemeinschaften bilden sich, um Menschen die Teilnahme zu ermöglichen, die es zu Fuß nicht schaffen oder zu weit entfernt wohnen. So entsteht eine Gemeinschaft, die trägt und untereinander verbindet, ohne dass alles organisiert werden muss. Viele sind einfach bereit, mitzuhelfen, dass dieser Gottesdienst und das anschließende Kaffeetrinken so stattfinden kann, dass Kuchen und Kaffee vorhanden sind, dass Menschen, die verspätet in die Auferstehungskirche kommen, begrüßt werden und ein Gesangbuch erhalten.
Im Laufe der Jahre hat sich diese internationale Gemeinde zu einem informellen Netzwerk entwickelt. Einzelne engagieren sich in der Begleitung von geflüchteten Menschen. Sie nehmen an den Treffen der Sozialpaten/innen teil, zu denen die Flüchtlingsberatung des Diakonischen Werkes regelmäßig einlädt. Dazu gehört seit zwei Jahren auch die Mitwirkung am Internationalen Tag des Flüchtlings, der mit einem ökumenischen Gottesdienst beginnt und in ein Interkulturelles Fest mündet. So wird diese internationale Gemeinde eine Gemeinschaft mit und für andere: „Für mich ist jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin des internationalen Gottesdienstes ein Fenster zu den verschiedenen Teilen der Welt. Gegenseitig erinnern wir uns daran, dass trotz unterschiedlicher Herkunft, verschiedenen Sprachen und diversen Riten, wir eine einzige Gemeinschaft in der Liebe und im Licht Christi sind“, fasst Maggie Weirich ihre Erfahrungen zusammen. Veranstaltet wird der Internationale Gottesdienst von der MÖWe-Regionalstelle in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Altstadtgemeinde.
Christian Hohmann ist Regionalpfarrer des Amtes für MÖWe in den Kirchenkreisen Herford, Lübbecke, Minden und Vlotho sowie Studienleiter im Zentrum für Mission und Diakonie in Bielefeld-Bethel.