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Kroatien wählt neuen Präsidenten

In Kroatien eskalierte dieses Jahr ein Streit zwischen Regierungschef und Präsident. Doch gilt die Wiederwahl von Zoran Milanovic am Sonntag als wahrscheinlich. Was erwartet das Land unter dem “kroatischen Donald Trump”?

Er werde ein Präsident sein, der die Kroaten vereint und Vielfalt als Stärke feiert, verspricht Dragan Primorac. Gleichzeitig weiß der Kandidat der kroatischen Regierungspartei HDZ vor der Präsidentenwahl am Sonntag (29. Dezember): Gegen Amtsinhaber Zoran Milanovic hat wohl keiner der sieben anderen Anwärter eine Chance. Das scheint dieses Jahr im Trend zu liegen – bezeichneten Beobachter den Populisten doch wiederholt als “kroatischen Donald Trump”.

Innenpolitisch brodelt es in Kroatien schon länger. Im April eskalierte ein Streit zwischen Milanovic und Ministerpräsident Andrej Plenkovic, als Milanovic diesem bei der Parlamentswahl das Amt streitig machen wollte – und damit eine Verfassungskrise auslöste. Regierungschef Plenkovic schimpfte den Präsidenten “primitiv” und “vulgär”. Milanovic konterte: Die HDZ-Regierung sei eine “korrupte Bande”.

Ebenfalls für Aufsehen sorgten im Oktober Anschuldigungen, wonach Milanovics Wahlkampagne von Moskau finanziert werde. Außenminister Gordan Grlic Radman nannte Kroatiens Staatsoberhaupt eine “Marionette des russischen Regimes”. Bestätigt wurden die Vorwürfe nicht. In Zagreb schätzt Politologe Berto Salaj: “Der Hauptgrund für Milanovics wahrscheinlichen erneuten Sieg liegt in der Tatsache, dass ein erheblicher Teil der kroatischen Bevölkerung ihn als letzte Barriere gegen die politische Allmacht der HDZ und Andrej Plenkovic wahrnimmt.”

Was den Wahlkampf betrifft, ist Milanovic als Populist nicht allein. Mehrere Kandidaten legten den Finger in den vergangenen Wochen dorthin, wo es viele Kroaten schmerzt; etwa beim Thema Migration. Kroatien liegt auf der Westbalkanroute, seine Grenzschützer sichern die EU-Außengrenze zu Serbien und Bosnien-Herzegowina. Menschenrechtler unterstellten kroatischen Polizisten wiederholt, Flüchtlinge in illegalen Pushbacks mit Gewalt zurückzudrängen. Dieses Jahr kam es zu Verfolgungsjagden zwischen Polizei und Schleppern; mehrere Menschen starben.

“Ich werde gegen illegale Migranten und den Bevölkerungsaustausch kämpfen”, versprach Miro Bulj, Kandidat der Partei Most (Brücke) seinen Anhängern. Sollte er gewinnen, werde er die Armee an der Grenze stationieren. Auch die unabhängige Kandidatin Marija Selak Raspudic warf Plenkovics Regierung vor, Kroatien unzureichend vor irregulärer Migration zu schützen.

Für Kroatien sei Einwanderung ein neues Phänomen, sagt Senada Selo Sabic, Expertin am kroatischen Institut für Entwicklung und internationale Beziehungen (IRMO). Traditionell sei Kroatien ein Transit- und Auswanderungsland. “Doch in den vergangenen Jahren hat es die Tore für Arbeiter aus dem Ausland geöffnet, was die Bevölkerung unvorbereitet traf. Viele unterscheiden kaum zwischen Asylsuchenden, irregulären Migranten und Arbeitern, die legal nach Kroatien kommen.” Populisten nutzten diese Verwirrung aus.

Ein weiteres Thema, das es in den Wahlkampf schaffte: die Bewältigung der jüngeren Vergangenheit. Kroatien war das zweite Land, das sich 1991 nach Slowenien von Jugoslawien abspaltete. Der Unabhängigkeitskrieg, hier “Heimatkrieg” genannt, dauerte bis 1995. Bis heute ein wunder Punkt sind die Kriegsverbrechen der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) und serbischer Truppen. “Ich will alle Orte von Massengräbern ausfindig machen, an denen kroatische Märtyrer getötet und begraben wurden”, kündigte HDZ-Kandidat Primorac an.

Das gilt für die ganze Balkanregion. Knapp 30 Jahre nach Ende des Konflikts stoßen Behörden auch in Bosnien-Herzegowina oder Kosovo immer noch auf die Gräber der Opfer: versteckt im Wald, zubetoniert unter Straßen. Die Archive in Belgrad, die Informationen liefern könnten, bleiben verschlossen.

Dass die gewaltvolle Vergangenheit nun auch Thema im Wahlkampf wurde, überrascht Experten nicht. “Es macht bloß traurig, dass wir immer noch ungelöste Probleme aus dem Zweiten Weltkrieg und den Kriegen der 90er haben”, sagt Selo Sabic. “Viele unserer politischen Diskussionen drehen sich immer noch um die Vergangenheit.”

Was die Zukunft betrifft, erwartet Politologe Salaj ebenfalls “Blockaden” – geschuldet dem andauernden Streit zwischen Ministerpräsident Plenkovic und dem Umfragen-Favoriten Milanovic. Vor allem in der Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik werde es Stillstand geben. “Zum Beispiel werden für zahlreiche Länder weiterhin keine Botschafter ernannt werden können.”