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Komplexe Ursachen

UK 24/2016, Homosexualität (Seite 14: Leserbrief „Nicht angeboren oder genetisch bedingt“)
Der Autor des Leserbriefs bestreitet die genetische Bedingtheit von Homosexualität. Dabei beruft er sich auf eine Forschergruppe kanadischer Humangenetiker und „namhafte Forscher in den USA“, ohne allerdings weder deren Namen noch deren Argumente zu nennen. Auch hier kommt es auf die Argumente an!
Ich bin kein Fachmann für Humangenetik. Aber ich habe mein Wissen natürlich auch nicht einfach aus der Luft gegriffen. Meine Gewährsleute sind die US-Amerikaner William Rice und Sergey Gavrilets und der Schwede Urban Friberg. Natürlich gibt es kein Homo-Gen. Dann wäre ja Homosexualität wegen der geringen Fortpflanzungsraten im Laufe der Evolution längst verschwunden. Homosexualität gib es aber in allen Kulturen mit ziemlich konstanter Häufigkeit. Bei beiden Geschlechtern sind etwa acht Prozent der Menschen nicht eindeutig heterosexuell orientiert und zwei Prozent strikt schwul oder lesbisch. Schon das lässt eine genetische Ursache für wahrscheinlich halten.
Die drei Forscher klären das durch „epigenetische Steuerbefehle“. Dadurch können Mütter ihr sexuelles Interesse an Männern auch an einen Sohn weitergeben und Väter ihr sexuelles Interesse an Frauen auch an eine Tochter. Nicht die Gene, sondern die komplexen Regelmechaniken erklären danach die kleinen und großen Unterschiede. Homosexualität entsteht auf solche Weise in jeder Generation immer wieder aufs Neue.
Dr. theol. Rudolf Vandrée, Siegen