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Kommunen und Landkreise warnen erneut vor Finanzkollaps

Der Landkreistag Baden-Württemberg hat vor einem finanziellen Zusammenbruch der Landkreise gewarnt. Laut Präsident Joachim Walter befinden sich die Landkreise an einem „Kipppunkt“, wie es in einer Mitteilung vom Dienstag hieß. Hauptursache seien stark steigende Ausgaben im Sozial- und Klinikbereich.

Fast neun von zehn Landkreisen in Baden-Württemberg können laut neuem Kreisfinanzbericht ihre laufenden Ausgaben nicht mehr durch ihre Einnahmen decken. Sechs Kreise müssen sogar Fehlbeträge ausweisen. Die Verschuldung aller Kreise zusammen wird in diesem Jahr voraussichtlich um ein Viertel steigen.

Als Hauptgrund für die Finanzprobleme nennt der Bericht die stark gestiegenen Kosten für die Jugend- und Eingliederungshilfe sowie für die Krankenhäuser. Diese Ausgaben würden nicht ausreichend von Bund und Land erstattet. Eine Besserung sei nicht in Sicht. Aktuelle Prognosen deuten darauf hin, dass das Ergebnis zum Jahresende nochmals um über 100 Millionen Euro schlechter ausfallen wird als geplant.

Landkreistagspräsident Walter sieht die kommunale Selbstverwaltung in Gefahr. Er fordert Bund und Land zum schnellen Handeln auf: „Oder die kommunale Selbstverwaltung, wie sie Deutschland über Jahrzehnte hinweg erfolgreich geprägt hat, wird einen Niedergang ohnegleichen erleben.“

Der Landkreistag verlangt vom Bund eine Verdreifachung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer. Des Weiteren solle das Land mehr Geld in den Finanzausgleich für die Kommunen geben. Darüber hinaus seien grundlegende Reformen nötig. Walter fordert eine Überprüfung der staatlichen Aufgaben und Standards sowie eine Neuausrichtung des Sozialstaats. Das Prinzip, dass das Land für von ihm verursachte Kosten aufkommen muss, müsse gestärkt werden.

Auch der Gemeindetag spricht von einer „beängstigenden Talfahrt“. Die Kommunen allein verzeichneten im ersten Quartal 2025 ein neues Minus von 2,4 Milliarden Euro, teilte Präsident Steffen Jäger mit. „Das ist nicht mehr nur ein Warnsignal, sondern der Beweis für einen akuten Systemfehler.“ Es brauche eine kurzfristige Stabilisierung der kommunalen Haushalte, mehr Gemeinschaftssteueranteile für die kommunale Ebene, eine verlässliche Ausfinanzierung der auf die Kommunen übertragenen Aufgaben sowie eine nüchterne und ehrliche Reform des Staates.

Ulf Hartmann, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg, fordert eine Beteiligung der Sozialverbände am „Zukunftspakt von Bund, Ländern und Kommunen“. Dass die Kosten für Sozialleistungen steigen, liege vor allem an gesellschaftlichen Entwicklungen wie zum Beispiel steigenden Mieten, die Menschen in Armut trieben. Sozialkürzungen könnten die Armut verschärfen. „Angesichts immer stärker werdender rechtsextremistischer und demokratiegefährdender Tendenzen in unserem Land halten wir das für brandgefährlich“, sagte Hartmann. (1733/15.07.2025)