Jahrzehntelang sind sie belächelt worden. Als Jesuslatschen und plumpes Schuhwerk für Mönche oder Krankenpfleger. Der “Schuh für Fußkranke” war etwas für Ökos, Studienräte, Theologen, Sozialarbeiter und Latzhosenträger. Mittlerweile sind Birkenstock-Sandalen Kult, haben die internationalen Märkte und die Börse erobert.
Doch am Donnerstag eine herbe Niederlage für das Unternehmen aus dem rheinland-pfälzischen Linz am Rhein, das mittlerweile zum französischen Luxusartikelkonzern LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy) gehört: Der Bundesgerichtshof entschied, dass Birkenstock-Sandalen keine Kunstwerke sind. Das Unternehmen wollte bestimmte Modelle seiner Design-Klassiker als Werke der angewandten Kunst gegen Nachahmer schützen, weil der Designschutz abgelaufen ist. Die Klage richtete sich gegen Tchibo, das dänische Modeunternehmen Bestseller und shoe.com.
Können Sandalen Kunstwerke sein? Bundesgerichtshof sagt Nein
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs erfüllen die Birkenstock-Sandalen nicht die nötigen Kriterien. Es fehle an freiem, kreativen Schaffen. “Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich”, erklärten die Richter.
Nachahmerprodukte bleiben also weiter auf dem Markt. Zusammen mit einer bunten Palette von Modellen, die religiöse, politische oder soziale Botschaften transportieren. Alte Filmklassiker mit meist antiker beziehungsweise biblischer Thematik werden weiter als “Sandalenfilme” beworben. Schuhwerk im biblischen Design findet nach wie vor Liebhaber. Es gibt den “Jesus Shoe” – einen Sneaker, dessen durchsichtige Sohle mit Weihwasser aus dem Jordan gefüllt ist. Es gibt Benediktiner-Sandalen, Modell Nazareth oder Modell Bethlehem, hergestellt in Handarbeit von französischen Mönchen. Und es gibt – immer noch – Römer-Sandalen, die in der DDR als Jesus-Latschen Kultstatus genossen und Unangepasstheit symbolisierten.
Birkenstock-Sandalen galten jahrelang als uncool
Birkenstock-Sandalen galten jahrelang zwar als gesund, aber auch als absolut uncool. Ein Produkt der Hippie-Kultur. Seit ein paar Jahren ist alles anders. An den Füßen von Promis und auf den Laufstegen der Modewelt haben die Schlappen mit dem Kork-Latex-Fußbett ihren internationalen Siegeszug angetreten. Heidi Klum und Julia Roberts tragen sie, Gwyneth Paltrow und Wolfgang Joop ebenfalls.
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Nicht nur, dass 2022 in New York ein paar ausgetretene Birkenstock-Sandalen des Computergurus Steve Jobs, einem Messias der Tech-Branche sozusagen, für fast 220.000 Dollar versteigert wurden. Für einen neuen Hype sorgte 2023 auch der Barbie-Film: Denn Barbie entscheidet sich im Blockbuster, statt High Heels Gesundheitsschuhe zu tragen – und zwar das Modell Arizona in der Farbe Light Rose von Birkenstock.
Jesus-Latschen mit historischem Kern
Der Weg der Birkenstocks zum Global Player war lang und mühselig. Firmengründer Johann Adam Birkenstock wurde 1774 in das Kirchenregister von Langenberg in Hessen als Schuhmacher eingetragen. 1896 schuf sein Nachfahre Konrad die erste Schuheinlage mit Fußbett. In den 50er Jahren begann unter Karl Birkenstock die Entwicklung der berühmten Sandale, die sich durch ihr dem Fuß nachgebildetes Fußbett und die vorn sehr breite Form auszeichnet, die den Zehen Bewegungsfreiheit lässt.
Bleibt die Frage, ob die Rede von den Jesus-Latschen einen historischen Kern hat. Sandalen finden sich schon in den Zeichnungen der alten Ägypter und Griechen. Die jüdische Mythologie erzählt von Judith, die den General Holofernes mit ihren sandalierten Füßen so betörte, dass sie ihm den Kopf abschlagen konnte.
In der Antike hätten die Menschen generell Schuhe getragen, die man heute Sandalen nennen würde, sagt die Archäologin Ursula Rothe. Nach dem Ende des Römischen Reichs gerieten sie allerdings weithin in Vergessenheit. Erst um 1800 fand das Schuhwerk als modisches Accessoire auch wieder Füße. Die damals kreierten Freiheitssymbole Frankreichs und der USA, Marianne und Columbia, tragen – in Erinnerung an antike Göttinnen – Sandalen.
Tragen von Sandalen: Eine Frage von asketischen und nicht-reformierten Ordenszweig
Einzig in kirchlichen Orden blieben Sandalen über die Jahrhunderte ein Thema: Die Frage, ob man mit geschlossenen Schuhen, Sandalen oder einzig barfuß unterwegs sein durfte, war bei Mönchen und Nonnen fast eine Glaubensfrage. Schließlich hatte Jesus seine Jünger aufgefordert, auf Reisen weder Vorräte noch Geld, Wanderstäbe oder Schuhe mitzunehmen.