Zum ersten Mal haben Klimaschützer mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Erfolg gehabt. Am Dienstag verurteilten die Straßburger Richter die Schweiz wegen mangelnden Klimaschutzes. Damit gaben sie einer Gruppe Schweizer Seniorinnen recht, die ihrer Regierung vorwerfen, sie nicht genug gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.
Zwei weitere Klima-Klagen scheiterten aus formellen Gründen vor dem Gerichtshof. Auch Jugendliche aus Portugal und ein französischer Bürgermeister hatten wegen Folgen des Klimawandels geklagt.
Die von Greenpeace unterstützte Gruppe der sogenannten Klimaseniorinnen wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen stärker reduzieren muss. Die Seniorinnen argumentierten, dass sie durch ihr Alter besonders durch den Klimawandel gefährdet seien, beispielsweise wegen großer Hitze.
Die Richter gaben den Frauen recht. Der Gerichtshof stellte fest, dass Artikel 8 der Menschenrechtskonvention ein Recht auf wirksamen Schutz durch die staatlichen Behörden vor den schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität beinhaltet. Das Urteil bindet nur die Schweiz, schafft darüber hinaus aber einen Präzedenzfall für weitere Klima-Klagen auch vor nationalen Gerichten.
In zwei weiteren Fällen wies der Gerichtshof allerdings Klima-Klagen ab. In einem Fall hatten Jugendliche aus Portugal Klage eingereicht. Sie warfen ihrem Heimatland, Deutschland und weiteren europäischen Staaten vor, die Klimakrise verschärft zu haben und damit die Zukunft ihrer Generation zu gefährden. Die Straßburger Richter entschieden, die Jugendlichen hätten sich zuerst in Portugal durch die Instanzen klagen müssen, bevor sie den Gerichtshof in Straßburg anrufen.
Im dritten Verfahren ging es um die Klage eines ehemaligen französischen Bürgermeisters. Auch er hatte wegen mangelhaften Klimaschutzes gegen sein Heimatland Frankreich geklagt. Seine Klage wurde abgewiesen, weil er nicht als Opfer der potenziellen Menschenrechtsverletzung betroffen sei. Der Mann lebt aktuell nicht in Frankreich.
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, bezeichneten die Entscheidung des EGMR als „bahnbrechend“. „Dieses Urteil sollte auch andere Staaten an ihre internationalen Verpflichtungen erinnern: Wer sich Klimaziele setzt, ist dafür verantwortlich, diese einzuhalten“, sagte er laut Mitteilung. Ko-Direktor Johan Rockström betonte, zum ersten Mal habe sich ein internationales Gericht zum Klimawandel als Menschenrechtsfrage geäußert.
Die Umweltstiftung WWF sprach von einem „Weckruf“ für die Regierungen. „Den Regierungsversprechungen etwa aus dem Pariser Klimaabkommen müssen Taten folgen“, erklärte WWF-Vorständin Heike Vesper.
Die Botschaft des Urteils sei klar, Klimaschutz sei ein unveräußerliches Menschenrecht, betonte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Strategische Klagen könnten dazu beitragen, Klimagerechtigkeit einzufordern und die Rechte von Milliarden von Menschen zu schützen, sagte die Leiterin der Abteilung für strategische Rechtsstreitigkeiten bei Amnesty International, Mandi Mudarikwa.