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Klimaforscher skeptisch bei CO2-Zertifikaten für Auslandsprojekte

Der Klimaforscher Mojib Latif hat sich skeptisch über die Möglichkeit von EU-Staaten geäußert, künftig Projekte in Drittstaaten auf ihre Klimabilanz anrechnen zu können. „In der Theorie klingt das alles wunderbar, aber in der Praxis ist es dann schwer überprüfbar“, sagte der Forscher des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel dem WDR5-„Morgenecho“ am Donnerstag. Aus der Vergangenheit sei bekannt, dass etwa bei CO2-Kompensationen viel betrogen werde. Es gebe Doppel- oder Dreifachbuchungen und nie gebaute Anlagen, betonte er. „Deswegen bin ich da sehr, sehr skeptisch, dass das am Ende dann wirklich den Erfolg bringt, den man sich davon zumindest in der Theorie versprechen würde.“

Die EU-Kommission will die Treibhausgasemissionen in Europa bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 senken. Den Vorschlag für ein entsprechendes, verbindliches Zwischenziel legte sie am Mittwoch in Brüssel vor. Damit bekennt sie sich zu dem übergeordneten Ziel, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Die Kommission will das neue Ziel vorrangig durch Emissionsminderungen innerhalb der EU erreichen.

Auf Druck einiger Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschlands, enthält der Vorschlag jedoch auch Flexibilisierungen. Ab 2036 sollen EU-Staaten in begrenztem Umfang Klimaschutzprojekte in Drittstaaten auf ihre Klimabilanz anrechnen dürfen – bis zu drei Prozent der Emissionen von 1990. Dabei geht es um sogenannte „Carbon Credits“, also die Finanzierung von CO2-Einsparungen oder -Entnahmen in anderen Ländern. Auch CO2-Entnahmen innerhalb der EU, etwa durch Aufforstung oder neue Technologien, sollen zur Zielerreichung beitragen.

Latif warnte davor, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu verlangsamen. „Die boomen weltweit; heute gehen schon mehr Investitionen in saubere Technologien als in fossile Technologien“, betonte er. China habe weltweit den größten Zubau an erneuerbarer Energie. „Da müssen wir vorne auf der Lokomotive sitzen, sonst verlieren wir diesen Bereich auch noch“, unterstrich der Klimaforscher. Als Beispiel nannte er die Bereiche Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

„Wenn man sich nicht bewegt, wenn man nicht die Zukunftstrends erkennt, dann verliert man am Ende eben auch seine wirtschaftliche Leistung und dann eben auch den Wohlstand“, erklärte Latif. „Wenn wir bestimmte Dinge nicht umsetzen, gerade im Wärmebereich und im Verkehrsbereich, drohen uns in ein paar Jahren gigantische Strafzahlungen, weil dann wird eben der Wärme- und der Verkehrsbereich in den europäischen Emissionshandel mit einbezogen.“