DARMSTADT – Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hat das „Darmstädter Wort“ von 1947 als „evangelischen Markstein“ in der Aufarbeitung der Rolle der Protestanten im Nationalsozialismus gewürdigt. Die damals wegen der grundsätzlichen Kritik an Militarismus, Nationalismus und unsozialem Konservatismus in der Kirche umstrittene Stellungnahme stehe für „ein neues Denken im deutschen Protestantismus nach 1945“, heißt es in einer in Darmstadt verbreiteten Erklärung.
Das Darmstädter Wort betone „in bester reformatorischer Tradition die Konzentration auf die Botschaft Jesu Christi, die sensibel und kritisch macht gegenüber allen politischen und weltanschaulichen Ideologien mit totalitärem Herrschaftsanspruch“. „Gerade im Wahljahr 2017 kann das Darmstädter Wort auch 70 Jahre nach seinem Entstehen den Blick schärfen für Menschen, die gesellschaftliche Entwicklungen aufmerksam verfolgen und sich am Evangelium orientieren wollen“, erklärte der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).
Am 8. August vor 70 Jahren war unter Mitwirkung der Theologen Karl Barth und Hans Joachim Iwand sowie des ersten Kirchenpräsidenten Martin Niemöller in Darmstadt eine Erklärung entstanden, die die Verstrickung der Kirche in den NS-Staat klar benennt. Der Text geht weit über die im Oktober 1945 veröffentlichte Stuttgarter Schulderklärung hinaus, indem er eine aktive Mitschuld der Kirche bekennt. Vier Abschnitte beginnen mit dem Satz: „Wir sind in die Irre gegangen.“
Das Papier war wegen seiner schonungslosen Selbstkritik umstritten. Die Evangelische Kirche in Deutschland konnte sich nicht dazu durchringen, es zu einem ihrer grundlegenden Texte zu machen. Er entfaltete aber in der DDR, insbesondere in der dortigen Friedensbewegung, eine nachhaltige Wirkung. Unverständlich bleibe allerdings, so merkt die EKHN in ihrer Mitteilung an, warum auch im Darmstädter Wort nichts zur Verfolgung und Ermordung der Juden gesagt wird. epd
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