Artikel teilen:

Kinderpsychologin: “Elternschaft wird eine Art Statussymbol”

Mama oder Papa mit Kind im Partnerlook – die Kinderpsychologin Anna-Lena Zietlow sieht den “Mini-Me-Trend” als zweischneidige Angelegenheit. “Den Sohn oder die Tochter zu kleiden wie man selbst, sozusagen ein erweitertes Selbst zu schaffen, ist etwas, das den Nerv unserer Gesellschaft trifft”, sagte sie der Zeitschrift “Psychologie Heute” (November-Ausgabe). “Elternschaft wird eine Art Statussymbol.”

Gute Bindung und ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Familie seien entscheidend für eine gesunde kindliche Entwicklung. Dies zeige sich allerdings nicht im Aussehen, sondern vielmehr im Verhalten, betonte Zietlow. “Es ist viel wichtiger, dass Mutter und Vater auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen, sich für sie interessieren und sie in ihrer Eigenständigkeit unterstützen.” Jüngeren Kindern seien Modetrends “ziemlich egal”, in der Pubertät gehe es dann eher um Abgrenzung von den Eltern: “Was die Kinder brauchen, ist, selbst Erfahrungen zu machen und sich in ihrer Individualität ausdrücken zu können.”

Der Trend fuße unter anderem darauf, “dass Kinder in unserer Gesellschaft mehr in den Fokus rücken, Erwachsene sich mehr mit kindlicher Entwicklung beschäftigen als noch vor einigen Jahrzehnten”, räumte die Expertin ein. Auch sei es positiv, dass viele ihre Elternschaft bewusst lebten und viel Zeit mit ihren Kindern verbringen wollten. Die Frage sei, worum es bei “Mini Me”-Inszenierungen gehe.

Kritisch könne es werden, “wenn Eltern den Nachwuchs als Statussymbol sehen, das der eigenen Selbstwerterhöhung dient. Das Kind wird instrumentalisiert, indem man mit ihm schöne Bilder schießt oder Videos aufnimmt, man sich mit dem Kind inszeniert und dafür positives Feedback durch Likes erhält”, sagte Zietlow, die Professorin für klinische Kinder- und Jugendpsychologie ist.

In den Sozialen Medien werde propagiert, “dass Eltern und Kind befreundet sein wollen oder sollen”. Zudem fehle dort “die Alltagsrealität mit ihren Höhen und Tiefen”. Zietlow rät Eltern, auf ihren Umgang mit den Sozialen Medien zu achten. Bis vor wenigen Jahren hätten Familien dort “alles gepostet, vom ersten Ultraschallbild bis zum erfolgreichen Gang auf das Töpfchen”. Dabei müsse einem jedoch bewusst sein, dass diese Aufnahmen nie mehr vollständig gelöscht werden könnten. Auch sollte man sich immer fragen, “was einmal das jugendliche oder erwachsene Kind dazu sagen wird”.