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Kerkeling taucht in Vergangenheit ein – zu den Ahnen und zu sich

Ob er über das Pilgern auf dem Jakobsweg schreibt, seine Katzen oder die Kindheit – Hape Kerkelings Bücher werden zu Bestsellern. Nun hat er sich der Ahnenforschung gewidmet und Erstaunliches zu Tage gefördert.

Längst ist es kein Geheimnis mehr: In Hape Kerkeling soll blaues Blut fließen, genauer englisches. Seine geliebte Oma Bertha, bei der er nach dem Suizid seiner Mutter aufgewachsen ist, war vermutlich eine illegitime Tochter von König Edward VII. Bei einem Kuraufenthalt in Marienbad hatte der Monarch wohl eine Liaison. Seit Tagen gibt der Künstler Interviews und sitzt in Talkshows. Stets aufs Neue muss er erzählen, wie diese Geschichte ans Tageslicht kam.

Seit 25. September ist nun das Buch auf dem Markt, in dem der Bestsellerautor auf 368 Seiten die Chronik der Ereignisse aufgeschrieben hat. “Gebt mir etwas Zeit” lautet der Titel, erschienen im Piper-Verlag. Hat sich da ein Komiker einen Spaß erlaubt? Legendär ist schließlich sein Auftritt 1991 als Double der niederländischen Königin Beatrix. Nicht viel hätte gefehlt und er wäre zum Staatsempfang beim Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue durchgedrungen.

Kerkeling aber betont, auch er habe sich angesichts der Rechercheergebnisse anfangs amüsiert. Die Leute würden ihn bestimmt als Spinner abtun, sollte er darüber schreiben. Dennoch entschied er sich dafür. Gott sei Dank, möchte man rufen. Sein angenehmer Plauderton zieht einen hinein in seine in der Corona-Zeit begonnene Suche nach den Vorfahren. Mit einem “überschaubaren Geldbetrag, viel Geduld und ganz wenig Spucke” – letztere für einen DNA-Test – ist er die Forschung angegangen.

Schnell habe sich herauskristallisiert, dass bei seiner Sippe viel genetisches Material aus Skandinavien und den Niederlanden zusammenkomme. “Ein bisschen Tschechien und Frankreich spielen rein. Aber auch der Schwabe, Pfälzer, Slowake und der Wiener waren nicht gänzlich unbeteiligt an meiner Entstehung.” Eine kunterbunte europäische Ahnenreihe, wie sie übrigens bei allen Deutschen vorkomme, merkt er an. Denn der Deutsche komme aus dem Ausland. Er sei ein “polnischer Holländer aus Mailand mit französischen und schwedischen Großeltern aus Bern, einer jüdischen Tante aus Sankt Petersburg und einem serbischen Onkel aus Wien”.

Ganze Völker seien bereits vor der Antike mit Kind und Kegel quer durch Europa und Kleinasien marschiert, auf der Suche nach fruchtbarem Ackerland und so etwas wie Freiheit, notiert Kerkeling. Sätze, die einem in Zeiten, in denen Europa die Grenzen für Flüchtlinge wieder dichtmachen möchte, zu denken geben sollten. Der Name “Kerkeling” ist holländischen Ursprungs und bedeutet so viel wie “Kirchling” oder “der Fromme, der in die Kirche geht”.

In Kapiteln springt Kerkeling zeitlich hin und her. Da geht es zurück ins 17. Jahrhundert und damit in jene Welt, in der seine Ahnen in den Niederlanden als Händler und Schiffsbauer lebten. Natürlich ist das ausgedacht. Aber so hätte es sein können. Dazu gehört etwa, heimlich katholisch zu sein in einem calvinistischen Land. Zudem taucht der Künstler noch einmal ein in die nähere Familiengeschichte und zu Oma Bertha. Sie erzog ihre zwei Kinder allein, während ihr Mann in der Nazi-Zeit erst im Gefängnis und dann im KZ Buchenwald inhaftiert war.

Offen spricht der im Dezember 60 Jahre werdende Kerkeling nicht nur über seine frühen Erfolge beim Fernsehen, sondern auch über den Druck, die eigene Homosexualität nicht preisgeben zu können. Zugleich bekennt er: “Ich bin ein spießiger Schwuler. Kein Wunder, ich komme aus der katholischen westfälischen Provinz.” Es ist seine Lieblingsstadt Amsterdam, wo er mit 24 seine große Liebe, den vier Jahre älteren Duncan, kennenlernt. Beiden bleibt nur wenig Zeit. Bei seinem Partner wird die damals tödliche Krankheit Aids diagnostiziert. Kerkeling hat sich nicht angesteckt. Als er das erfährt, denkt er: “Ich kann Duncan weiter eine Stütze sein.”

Es ist der humorvolle Kerkeling, der sich präsentiert, sowie der reflektierte und ernste: “Wenn man, wie ich, in seinem Leben ein paarmal den Boden unter den Füßen verliert, sucht man natürlich nach einem tragenden Fundament unter dem Verlorenen. Gott war gnädig, und ich durfte es finden.” Aber es brauche alles seine Zeit.