Evangelium, Predigt, Fürbitten und Gebete – alles, was Hörgeschädigte davon oft mitbekommen, ist ein dumpfes Gemurmel, überlagert von Rauschen, Pfeiftönen und anderen Störlauten. Denn Hörgeräte verstärken alle Geräusche; Hall im Kirchenraum sorgt für zusätzliche akustische Störungen. Dabei gibt es eine einfache Lösung: moderne induktive Höranlagen. In deutschen Kirchengebäuden sind sie im Kommen. Doch viele Betroffene wissen noch nicht, dass es diese Möglichkeit gibt.
Normal werden alle Geräusche weitergeleitet
Einer, der sich seit vielen Jahren für diese technische Lösung in Kirchen starkmacht, ist Christian Enke, Hörgeschädigtenpfarrer des Bistums Limburg und Beauftragter der Katholischen Hörgeschä-digtenseelsorge für das Thema induktive Höranlagen. Normale Hörgeräte verfügen über ein kleines Mikrofon, und der Lautsprecher geht ins Ohr. „Im normalen Leben ist das ganz hilfreich“, erklärt Enke. In Kirchen mit ihrem großen Raum werde aber auch der Hall verstärkt: „Ein Hörgerät leitet ungefiltert auch alle Nebengeräusche weiter, etwa wenn ein Gesangbuch des Nachbarn zu Boden fällt oder jemand hustet“, weiß Enke, selbst Träger eines Hörgeräts. Auch durch Lautsprecher in der Kirche werde der Störeffekt verstärkt.
Anders beim Einsatz einer induktiven Höranlage: Das Gesprochene wird direkt über das Mikrofon am Ambo oder Altar mittels einer Induktionsschleife in das Hörgerät übertragen – Nebengeräusche werden quasi ausgeblendet.
Ein Segen, wie Enke von vielen positiven Rückmeldungen weiß. Viele Gottesdienstbesucher seien altersschwerhörig, doch ihre Hörgeräte reichen in der Kirche nicht aus. Sie müssen sich extrem konzentrieren, bekommen kaum etwas mit und fühlen sich – mitten unter den anderen Gläubigen – ausgeschlossen. Gerade das Dabeisein und Mitfeiern sei aber das Wichtige, „sonst könnte man sich den Gottesdienst auch im Fernsehen anschauen“. Deshalb sei das induktive Hören ein einfacher Weg, sich in der Gemeinde „dazugehörig“ zu fühlen.
Rund 15 Millionen Menschen sind in Deutschland von Schwerhörigkeit betroffen. Dass es in Kirchen induktive Höranlagen gibt, sei viel zu wenig bekannt, bedauert Enke. Dabei befänden sich rund 90 Prozent aller bisher installierten Höranlagen in katholischen und evangelischen Kirchen. Dennoch gebe es „großen Nachholbedarf“, so der Experte. Das Thema Barrierefreiheit von kirchlichen Gebäuden sei ein „junges Thema“, da dabei zunächst oft nur an Rampen gedacht werde.
Induktionsanlagen sind auf dem Vormarsch
Vielleicht schrecken Gemeinden auch die Kosten ab. Enke rechnet vor, dass die Installation rund 3000 bis 4000 Euro kostet. Dabei wird ein Kabel – die induktive Hörschleife – um die Bankreihen im Boden verlegt, das über einen Verstärker an der Lautsprecheranlage angeschlossen ist. Auf Knopf-druck an ihrem Hörgerät, das vorher beim Hörgeräteakustiker freigeschaltet werden muss, können Hörgeschädigte dann wesentlich klarer hören.
Inzwischen werden Induktionsanlagen auch zunehmend in öffentlichen Gebäuden installiert. Seit drei Jahren gilt die neue DIN-Norm 60118-4, die auch in Landesbaurecht übernommen wurde. Bei allen Neubauten von „Kommunikationsräumen“ wie Kinos, Theatern, Vortragsräumen oder Standesämtern wird nun diese Hörunterstützung eingebaut.
Eine Beschilderung weist auf das barrierefreie Hören hin. Damit diese technische Hilfe aber auch genutzt werde, sei in Gemeinden oft noch Aufklärungsarbeit zu leisten, so Enke: „Nicht nur die Küster sollten über die Nutzung der Anlage informiert sein.“ Der Seelsorger wird nicht müde, für sein Anliegen zu werben – etwa beim Seniorentreffen oder im Gemeindebrief. Enke rät, anlässlich großer Gottesdienste die Medien über den Service des induktiven Hörens zu informieren. „Das ist auch werbewirksam für Menschen, die schon lange nicht mehr kommen, weil sie nichts verstehen.“