• Lange Zeit hat sich die westfälische Landeskirche Sorgen um den theologischen Nachwuchs gemacht. Immer weniger junge Menschen wollten Theologie studieren. Wie sieht es im Moment aus?
Ich bin vorsichtig optimistisch: Die Talsohle ist durchschritten. Im vergangenen Jahr haben sich 40 junge Frauen und Männer neu auf die Liste der westfälischen Theologiestudierenden eintragen lassen, mit aktuell steigender Tendenz. In den Jahren zuvor waren es jeweils etwa 25, davor auch mal nur zehn.
• Auf diese Liste schreiben sich die ein, die in Westfalen ins Pfarramt möchten. Zu welchem Zweck?
Auf diese Weise können wir schon während des Studiums engen Kontakt zu denen halten, die einmal bei uns Pfarrerinnen und Pfarrer werden wollen. Wir beraten sie bei Fragen zum Studium, zu Auslandsaufenthalten oder zum vorgeschriebenen Gemeindepraktikum. Pfarrerin Antje Röse besucht regelmäßig die westfälischen Konvente an den verschiedenen Studienorten und versteht sich als persönliche Seelsorgerin der Studierenden. Auch finanziell bietet die Landeskirche Unterstützung, etwa für Kosten, die beim Auslandsstudium oder beim Gemeindepraktikum anfallen.
• Was sind das für Menschen, die heute Pfarrerin oder Pfarrer werden möchten?
Es sind junge Frauen und Männer, die ihren Glauben verkünden, Menschen begleiten und Gemeinschaft fördern wollen. Sie kommen aus dem gesamten volkskirchlichen Spektrum, das von „fromm“ bis „weltlich“ reicht. Sie sehen realistisch, welche Situation in den Gemeinden auf sie zukommt, und sind bereit, die Herausforderung anzunehmen, leistungsbereit und kreativ – es ist ihnen aber auch wichtig, ihren eigenen Freiraum in diesem besonderen Beruf zu wahren. Daher sind sie zum Beispiel sehr offen für die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen.
• Nach wie vor ist die Durchschnittsnote Befriedigend im Ersten theologischen Examen Voraussetzung für die Aufnahme ins Vikariat. Ist das nicht überholt angesichts der geringen Bewerberzahl?
Wir brauchen theologisch sehr kompetente Pfarrerinnen und Pfarrer; also solche, die eine Situation, mit der sie in der Gemeinde konfrontiert werden, mit Hilfe ihres theologischen Wissens „lesen“ können. Wer das nicht kann, ist in dem anspruchsvollen Amt des Pfarrers oder der Pfarrerin schnell überfordert. Ob jemand sein theologisches Wissen auf die Praxis übertragen kann, erkennt man durchaus im Prüfungsgespräch während des Examens. Es hat also etwas mit Qualitätssicherung zu tun, wenn wir die Not Drei als Zugangsvoraussetzung fordern. Immerhin steht aber ein „Ausreichend“ für ein abgeschlossenes Studium, mit dem man sich in anderen Landeskirchen oder für einen anderen kirchlichen Beruf bewerben kann.
• Wie werben Sie bei jungen Menschen für den Pfarrberuf oder andere Berufe im Bereich der Kirche?
Die beste Werbung sind eine gute Gemeindearbeit und persönliche Kontakte. Wenn Kinder dort vielleicht schon im Kindergarten mit Kirche in Kontakt kommen und später eine spannende und engagierte Konfirmanden- und Jugendarbeit oder ein tolles Diakonieprojekt erleben, lassen sie sich begeistern für Berufe in der Kirche. Auch der Religionsunterricht spielt bei der Entscheidung fürs Pfarramt eine Rolle.
Konkret werben wir mit neuen Flyern, für das Pfarramt, aber auch für Berufe wie Diakon, Kirchenmusikerin oder Küster. Auf der Internet-Seite „www.bodenpersonal-gesucht“ gibt es Erfahrungsberichte und weitere Informationen. Und auch die gute alte Abituriententagung, zu der wir jährlich interessierte Schülerinnen und Schüler einladen, ist nach wie vor ein wichtiger Kontaktpunkt.
• Wie wird es weitergehen mit dem Pfarrberuf?
Mitte der 2020er Jahre wird die Zahl der aktiven Pfarrerinnen und Pfarrer deutlich sinken. Bis dahin müssen wir uns Gedanken machen, wie wir das Pfarramt so gestalten können, dass die Aufgaben künftig zu bewältigen sind: Wofür ist ein Pfarrer zuständig, wenn er 3500 Gemeindeglieder zu versorgen hat, worauf können wir verzichten und was kann an andere Berufsgruppen oder Ehrenamtliche zurückgegeben werden? Wenn wir das sinnvoll strukturieren, brauchen wir in meinen Augen nicht von Pfarrermangel zu sprechen.