Zita Ettl kann den Pegelstand genau benennen: “Die Sonnensegel bei uns im Garten sind 1,80 Meter hoch. Bis dahin kam die Flut.” Ettl leitet die katholische Kindertagesstätte Maria Ward im oberbayerischen Schrobenhausen. Sie und ihre Kolleginnen kümmern sich um rund 110 Krippen- und Kindergartenkinder – eigentlich im Stadtzentrum. Doch seit drei Wochen ist ein Großteil von ihnen am Ortsrand untergebracht, im Gemeindezentrum der muslimischen Ditib-Gemeinde. Nachdem ihr Haus Anfang Juni durch die Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland schwer beschädigt wurde, hat die Kita dort Zuflucht gefunden.
Zu verdanken ist das Durmus Aki, dem Vorsitzenden der Ditib-Gemeinde. Das Hochwasser und die Maria-Ward-Kita sind für ihn Themen, die ihn persönlich anrühren. Aki hat durch die Katastrophe eine Cousine verloren; sie ertrank in ihrem Keller. Während Aki sie auf ihrem letzten Weg zur Beerdigung in die Türkei begleitete, organisierte er mehr oder minder parallel mit seinen Vorstandskollegen den Einzug der Kita ins Gemeindezentrum. “Die Kinder mussten ja irgendwohin, da haben wir das gleich angeboten”, sagt Aki.
Islamisches Zentrum verschiebt Eröffnung
“Eigentlich wollten wir am 30. Juni nach drei Jahren Planen und Bauen Eröffnung feiern”, erzählt Aki. Das hätten sie in den Herbst verschoben, aus Respekt vor den Flutopfern und eben, um den Kinder aus Maria Ward ein Obdach zu bieten.
Wobei die Jungen und Mädchen an diesem Mittag kein Dach brauchen: Sie sind quietschvergnügt darüber, den riesigen Parkplatz des Ditib-Zentrums als Freiluft-Rennstrecke zum Rasen und Radeln nutzen zu können. “Hier ist mehr Platz als bei uns”, sagt Zita Ettl und schaut den Kleinen zufrieden zu. Ob den Kindern der Ortswechsel denn nichts ausmacht? “Nein, wichtig ist für sie, dass ihre Bezugspersonen da sind. Mit denen hier zu sein, das ist für sie ein Abenteuer.”

Und so flitzt und saust der Maria-Ward-Nachwuchs nun nicht etwa unter Jesus oder einem Kreuz daher, sondern im Schatten des halbmondgekrönten Minaretts. War die Religion Thema bei dem plötzlichen Umzug? Zumal Ditib ja nicht unumstritten ist; Kritiker werfen dem Verband eine zu große Nähe zum türkischen Staat vor. “Überhaupt nicht”, antwortet Ettl. “Auch der Stadtpfarrer hat gleich gesagt, wir sollen das Angebot annehmen. Wir hätten sonst gar nicht gewusst, wohin. Die Krippenkinder sind ins Pfarrzentrum gekommen. Aber für die Kindergartenkinder wäre es schwierig geworden.”
Ohnehin stamme etwa ein Drittel der Kinder aus muslimischen Familien, fügt Ettl hinzu. “Und die kommen auch mit in die Kirche, wenn wir zum Beispiel Sankt Martin feiern.”
Wie geht es weiter mit der Maria-Ward-Kita?
Statt aufs Trennende zu blicken, kann man genauso gut das Gemeinsame sehen. Oder besser hören, etwa als Durmus Aki über den Kita-Einzug sagt: “Das läuft hier alles ohne Wirrwarr.” Die Doppel-r rollen ihm dabei so fröhlich von der Zunge wie die Kinder mit ihren Laufrädern über den Parkplatz hinweg. So klingt’s, wenn man in Oberbayern aufgewachsen ist, ganz gleich mit welchen Wurzeln.