Ein erst Anfang August gestartetes Pilotprojekt zur Verringerung der großen Waschbärenpopulation in Kassel muss nur zwei Wochen nach dem Start vorerst wieder gestoppt werden. Grund dafür sei, dass die hessische Landesregierung die Zuständigkeit an das Regierungspräsidium übergeben habe, teilte die Stadtverwaltung am Dienstag mit. Die Stadt Kassel hoffe darauf, dass das spendenfinanzierte Projekt nach einer Prüfung durch das Regierungspräsidium zeitnah fortgesetzt werden könne.
„Wir bedauern diese Situation sehr“, erklärte Ordnungsdezernent Heiko Lehmkuhl (CDU). „Im Vorfeld hatten sich in etlichen Gesprächen auf Fachebene keine Einwände gegen das Einfangen und anschließende tierärztliche Sterilisieren von Waschbären ergeben.“ Das Regierungspräsidium Kassel prüfe das Projekt zur Sterilisation von Waschbären, sagte der Pressesprecher Hendrik Kalvelage dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Obere Naturschutzbehörde werde sich mit der Stadt und dem für die Umsetzung verantwortlichen Bundesverband der Wildtierhilfen in Verbindung setzen. Wie lange die Prüfung dauern werde, sei noch nicht absehbar.
Das auf drei Jahre angelegte Pilotprojekt zur Kontrolle der Waschbärenpopulation läuft unter Leitung des Bundesverbands Wildtierhilfen mit Sitz in Frankfurt am Main. Ein Team aus Ehrenamtlichen, Biologen und Tierärzten wollte jeweils im Zeitraum zwischen August und Oktober die Tiere im Stadtgebiet mithilfe von kameraüberwachten Lebendfallen einfangen, um sie zu sterilisieren beziehungsweise zu kastrieren. Anschließend sollten sie wieder in die Freiheit entlassen werden. Der Bundesverband der Wildtierhilfen hatte den Start des Projekts am 7. August als „erstes biologisches Waschbären-Management in Europa“ beworben.
Dieses Vorgehen lehnt jedoch unter anderem der Landesjagdverband Hessen (LJV) ab. Es sei nicht erklärbar, warum ein einmal gefangener Waschbär nach einer Sterilisation wieder freigesetzt wird, sagte der Präsident des LJV Hessen, Jürgen Ellenberger, am Dienstag in Bad Nauheim. Auch ein sterilisierter Waschbär fresse weiterhin Singvögel, Bodenbrüter und Amphibien. Nach EU-Recht sei der Waschbär eine invasive Art, die zurückgedrängt werden muss, betonte Ellenberger. Das Aussetzen invasiver Arten sei grundsätzlich verboten.
Der Verband habe deshalb eine juristische Prüfung bei der Oberen Veterinärbehörde beim Regierungspräsidium Kassel angestoßen, sagte LJV-Sprecher Markus Stifter dem epd. Das Projekt gehe „in die falsche Richtung“. Eine Wirksamkeit könne auch gar nicht nachgewiesen werden, „weil vorher keine Bestandsaufnahme gemacht wurde“. Eine tierschutzgerechte Bejagung des Waschbären mit Lebendfangfallen sei „leider“ die einzige Möglichkeit, den Bestand zu minimieren.
Die Stadt Kassel gilt deutschlandweit als Hotspot für Waschbären. Schätzungen der Stadt gehen von einem Tier pro Hektar aus. Studien belegen laut der Universität Frankfurt am Main, dass Waschbären gezielt Brutstätten von Amphibien, Reptilien und bodenbrütenden Vögeln vernichten und einheimische Arten gefährden.