Die Stadt Kassel startet am Donnerstag ein dreijähriges Pilotprojekt zur Kontrolle ihrer Waschbärenpopulation. Unter Leitung des Bundesverbands Wildtierhilfen mit Sitz in Frankfurt am Main fängt ein Team aus Ehrenamtlichen, Biologen und Tierärzten die Tiere im Stadtgebiet mithilfe von kameraüberwachten Lebendfallen ein, um sie zu sterilisieren beziehungsweise zu kastrieren. Wie die Leiterin des Bundesverbands der Wildtierhilfen, Vera Heck, am Dienstag in Kassel bei der Präsentation des Projektes erläuterte, werden die Waschbären anschließend wieder in die Freiheit entlassen.
Durch das sogenannte biologische Populationsmanagement mit wissenschaftlicher Begleitung und Wirkungskontrolle solle der Bestand eingedämmt werden. Abhängig von der Fangquote wird den Angaben zufolge im ersten Jahr eine Stabilisierung der Population erwartet. Für die kommenden Jahre werde ein Bestandsabbau von 20 Prozent angestrebt. Nach Angaben des Bundesverbands der Wildtierhilfen ist dieses Projekt das erste biologische Waschbärenmanagement in Europa.
Fangzeiten sind den Initiatoren zufolge die Monate August bis Oktober und gegebenenfalls Februar. Rund 30 Helferinnen und Helfer sowie zehn Tierärztinnen und Tierärzte werden deshalb zunächst in den kommenden drei Monaten gezielt Waschbären einfangen, sterilisieren beziehungsweise kastrieren, mit einer gelben Ohrmarke versehen und zeitnah im angestammten Quartier wieder aussetzen. Sinn der Freilassung sei, dass keine neuen Tiere in den angestammten Lebensraum einwandern, erläuterte Heck: „Die wieder freigesetzten Bestandstiere können sich nicht mehr fortpflanzen, verteidigen aber ihr Revier.“
Kassel gilt deutschlandweit als Hotspot für Waschbären. Schätzungen der Stadt Kassel gehen von einem Tier pro Hektar aus. Nach den Worten von Kassels Ordnungsdezernent Heiko Lehmkuhl ist ein regulierender Eingriff angezeigt, da sie keine natürlichen Feinde haben. Kassel sei offen gegenüber neuen Wegen, „bei denen der respektvolle Umgang mit Wildtieren im Vordergrund steht“, sagte er. Das Pilotprojekt setze ein Zeichen für einen verantwortungsvollen und tierschutzgerechten Umgang mit invasiven Arten. Waschbären werden seit 2016 in der EU als invasis eingestuft.
Studien belegen laut Goethe-Universität Frankfurt am Main, dass Waschbären gezielt Brutstätten von Amphibien, Reptilien und bodenbrütenden Vögeln aufsuchen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsprojekts ZOWIAC (Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren) der Universität sehen in Waschbären deshalb eine Bedrohung heimischer Arten.