Eine bessere Notfallversorgung, ein neues Bundesinstitut für Präventionsarbeit, leichtere Lebendspenden und Änderungen bei der Digitalisierung: Vier Projekte von Minister Lauterbach passieren Kabinett – trotz Gegenwind.
Bei seiner “Aufholjagd” im Gesundheitswesen hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor der Sommerpause noch einen Sprint hingelegt. Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett gleich vier Gesetzentwürfe aus seinem Hause. Darunter die lange angekündigte und komplexe Reform der Notfallversorgung. Die drei weiteren Entwürfe sehen die Einrichtung eines Bundesinstituts für Präventionsarbeit, Erleichterungen bei der Lebendorganspende sowie den Ausbau einer Digitalagentur vor.
“Eine Runderneuerung des Systems ist notwendig”, sagte Lauterbach nach der Kabinettssitzung. Deutschland habe erhebliche Defizite im Gesundheitssektor. Als Beispiel nannte er die vergleichsweise niedrige Lebenserwartung, fehlende Spezialisierungen oder lange Wartezeiten bei Notfällen. “Daher haben wir schon 15 Gesetze in dieser Legislaturperiode gemacht, aber es stehen noch mindestens so viele Gesetze an”, so der Minister.
Die Reform der Notfallversorgung ist eine Großbaustelle mit vielen Akteure. Kritisch sehen Kassen und Ärzte, woher das für die Reform nötige Personal kommen soll. Dabei ist die zusätzlich geplante Reform der Rettungsdienste – inklusive bundesweiter Mindeststandards für die personelle Ausstattung und bundeseinheitlicher Abrechnung – noch gar nicht Teil des Entwurfs. Diese Elemente sollen im Laufe der Bundestagsberatungen noch ergänzt werden, sind aber Ländersache.
Der nun verabschiedete Entwurf sieht vor, die Notdienstnummern von Rettungsdienst (112) und Kassenärzten (116 117) zu vernetzen. Bei beiden Nummern sollen Akutleitstellen eine telefonische oder telemedizinische Ersteinschätzung geben und dann weiterverweisen – “ohne Zeitverlust”, wie Lauterbach betonte. Hierzu soll es Vorgaben für Personalschlüssel und Qualifikation, zeitliche Erreichbarkeit sowie Wartezeiten geben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen rund um die Uhr eine telemedizinische Versorgung und Hausbesuche bereitstellen.
Bundesweit sollen zudem an Krankenhäusern Integrierte Notfallzentren aufgebaut werden. Diese sollen aus einer Notaufnahme, einer kassenärztlichen Notdienstpraxis im Krankenhaus oder in seiner Nähe sowie einem “Tresen” als zentraler Entscheidungsstelle bestehen. Zusätzlich sollen zu Sprechstundenzeiten Vertragsärzte als “Kooperationspraxen” an Integrierte Notfallzentren angebunden werden können. Lauterbach hatte im Vorhinein erklärt, er rechne mit Einsparungen von langfristig knapp eine Milliarde Euro.
Ein weiterer Gesetzentwurf sieht die Gründung eines neuen Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (Bipam) mit Hauptsitz Köln vor. Dieses soll helfen, Krankheiten wie Krebs, Demenz und koronaren Herzkrankheiten vorzubeugen und mit den Gesundheitsämtern zusammenarbeiten. Das Institut übernimmt ab 1. Januar die Aufgaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vollständig sowie einen Teil der Aufgaben des Robert Koch-Instituts.
Mit dem dritten verabschiedeten Gesetzentwurf will der Minister Nieren-Lebendspenden erleichtern. Künftig können sogenannte Überkreuzspenden – quasi der Ringtausch von Nieren zwischen Paaren – ohne Näheverhältnis erfolgen. Die Spende soll anonym erfolgen und von Transplantationszentren organisiert werden. Auch sollen grundsätzlich anonyme Nierenspenden möglich werden. Der vierte Gesetzentwurf sieht den Ausbau der Digitalagentur vor, um die digitale Transformation im Gesundheitswesen und der Pflege zu stärken.