Der Ludwigshafener Sozialrechtler Andreas Rein hat sich für ein bundesweites Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in Strafprozessen ausgesprochen. Immer wieder würden diese dazu aufgefordert, vor Gericht Aussagen zu ihren Klienten zu machen, sagte der Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Anders als Ärzten, Journalisten, Rechtsanwälten oder Seelsorgern räume das Strafprozessrecht Sozialarbeitenden nicht das Recht ein, die Preisgabe von möglicherweise belastenden Informationen zu verweigern. Ausnahmen gälten nur für die Drogenberatung und in der Schwangerschaftskonfliktberatung.
Hintergrund ist der aufsehenerregende Fall von drei Sozialarbeitenden der Fanbetreuung des Karlsruher Fußballclubs KSC. Diese waren wegen versuchter Strafvereitelung zu hohen Geldstrafen verurteilt worden. Bei einem Spiel im November 2022 gegen den Hamburger FC St. Pauli waren elf Personen durch abgebrannte Pyrotechnik verletzt worden. Die Sozialarbeiter weigerten sich daraufhin, wegen ihres besonderen Vertrauensverhältnisses zu den Karlsruher Fans Zeugenaussagen zu machen.
Großer Druck auf Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern
Die aktuelle Gesetzeslage stelle die Berufsgruppe der Sozialarbeiter und -pädagogen bei Strafprozessen unter großen Druck, kritisierte der Jurist und frühere Rechtsanwalt Rein: Eine Aussage könne das Vertrauensverhältnis zu den Klienten zerstören, was für Sozialarbeiter ein „entsetzliches Dilemma“ darstelle. Zudem müssten diese bei Nichtaussage vor Gericht mit einem Ordnungsgeld oder sogar Beugehaft rechnen. Dies sei bereits in mehreren Fällen geschehen. Arbeitgeber könnten zudem Sozialarbeiter, die sich gegenüber Strafrichtern nicht kooperativ zeigten, mit Job-Kündigungen drohen.
Laut geltendem Recht sind Sozialarbeiter zwar zur Verschwiegenheit über Geheimnisse verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraut werden. In Strafprozessen müssen sie allerdings über diese Vorgänge aussagen.
Ein in allen Bundesländern geltendes Zeugnisverweigerungsrecht bei Strafverfahren könnte hingegen Sozialarbeiter schützen, macht der Experte für Sozialrecht deutlich. Eine alternative Lösung wäre, dass auch nicht-öffentliche Arbeitgeber ihren Mitarbeitern erst eine Aussage vor Strafgerichten genehmigen müssten. Dies sei bereits bei öffentlichen Dienstverhältnissen der Fall. Dadurch könne Sozialarbeitern der psychische Druck und die Angst, ihren Klienten zu schaden, genommen werden, sagte Rein.