Wissenschaftler aus Köln und Münster laden zu Vorträgen ein, die sich mit den Vertreibungen von Juden im Europa des Mittelalters befassen. Die öffentliche Ringvorlesung zum Wintersemester 2023/2024 in Köln und Münster nehme einen Beschluss des Kölner Rats aus dem Jahr 1423 als Ausgangspunkt, teilte das Jüdische Museum des LVR am Mittwoch in Köln mit. Vor 600 Jahren hatte der Kölner Rat beschlossen, die Aufenthaltsgenehmigung für Juden in nicht zu verlängern. Die Ringvorlesung ist eine Kooperation der Universitäten Köln und Münster mit dem „MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“.
Der Auszug der Juden aus Köln, die nur ein Jahr Zeit hatten, ihr Hab und Gut zu verkaufen und sich einen neuen Lebensmittelpunkt zu suchen, bedeutete das Ende der dauerhaften jüdischen Ansiedlung innerhalb der Stadt für die nächsten fast vier Jahrhunderte, wie die Veranstalter der Vorlesungsreihe erklärten. Über dieses einschneidende Ereignis informiere heute nur noch ein kurz gefasstes Ratsprotokoll. Erst acht Jahre später habe der Stadtrat seine Gründe für die Vertreibung in einem Brief an Sigismund, den königlichen Stadtherrn und damit obersten Schutzherrn der Kölner jüdischen Gemeinde, dargelegt.
Ausgehend von den Kölner Ereignissen thematisiere die Ringvorlesung die große Zahl an Judenvertreibungen im europäischen Kontext, die ab dem 14. Jahrhundert wellenartig einsetzten. Neben den Motiven für den wachsenden Judenhass sollen auch die Auswirkungen für Jüdinnen und Juden in den Blick genommen werden.
Die Ringvorlesung startet am 10. Oktober um 18 Uhr im Wallraf-Richartz-Museum in Köln mit dem Vortrag von Carla Meyer-Schlenkrich aus Münster über die Entscheidung des Kölner Rates zur Ausweisung der jüdischen Gemeinde 1423/24. Die Folgeveranstaltungen finden jeweils dienstags um 18 Uhr an den Universitäten Köln und Münster statt und werden live gestreamt. Die Ringvorlesung endet am 30. Januar 2024 mit einem Vortrag von Jan-Hendryk de Boer aus Düsseldorf über antijüdische Publizistik und den „Judenbücherstreit“ im Köln des frühen 16. Jahrhunderts.
Georg Jostkleigrewe aus Halle befasst sich mit dem Judentum in Frankreich und den dortigen Vertreibungen am Beginn des Spätmittelalters. Jörg Müller aus Trier spricht über die Wiederansiedlung der Juden nach den Pestpogromen. Christiane Twiehaus aus Köln stellt die Verarbeitung der mittelalterlichen Pogrome durch die jüdischen Gemeinden in den Mittelpunkt ihres Vortrags. Weitere Themen sind unter anderem die Umgestaltung der Stadt und die Struktur der Kölner Judenviertel und die Regensburger Judengemeinde im Kampf gegen ihre Vertreibung.