Artikel teilen:

Jeder sechste Schüler von Mobbing betroffen – Prävention hilft

Beschimpfen oder Bloßstellen: Zum “Behaupte-Dich-gegen-Mobbing-Tag” weisen Forscher auf die Notwendigkeit von Präventionsprogrammen hin. Laut Untersuchungen gibt es in jeder Klasse Kinder, die unter Mobbing leiden.

Fast jedes sechste Schulkind ist von Mobbing betroffen – und fast jedes zehnte gibt an, selbst schon einmal andere gemobbt zu haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Befragung im Auftrag der Techniker Krankenkasse. Viele Betroffene litten noch Jahre später unter entsprechenden Erfahrungen, warnt der Vorstandsvorsitzende Jens Baas. Ängste, Depressionen, Schlafstörungen bis hin zu Suizidgedanken gehörten nicht selten zu den Folgen der täglichen Schikanen. Am (morgigen) Donnerstag ist bundesweiter “Behaupte-Dich-gegen-Mobbing-Tag”.

Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts, die 2020 im “Journal of Health Monitoring” über “Mobbing und Cybermobbing bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland” veröffentlicht wurde, gibt es in jeder Klasse Schülerinnen und Schüler, die unter Mobbing leiden. Der Unterschied zum Streiten zwischen Freunden besteht darin, dass sich mehrere Kinder zusammenschließen, und über einen längeren Zeitraum gezielt eine Person ärgern oder regelrecht tyrannisieren.

Vorbeugende Angebote könnten nachweislich gegen Mobbing helfen, betont Baas. So erklärten 90 Prozent derjenigen, die am Präventionsprogramm “Gemeinsam Klasse sein” teilgenommen hätten, ihr Wissen zu Mobbing und Cybermobbing gesteigert zu haben. 88 Prozent würden demnach eher versuchen, einer betroffenen Person zu helfen. Bei eigener Betroffenheit würden sich mehr als 77 Prozent an einen Erwachsenen im Schulumfeld wenden. Das Projekt bietet die Krankenkasse den Angaben zufolge in verschiedenen Bundesländern an.

Das Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) befragte mehr als zwei Jahre insgesamt 1.804 Schülerinnen und Schüler der fünften Klasse an 32 Schulen in den Bundesländern Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen vor und nach der Durchführung von dem Mobbing-Präventionsprojekt zu ihren Erfahrungen.

Die Münchner Mobbingforscherin Mechthild Schäfer findet es wichtig, bereits in der Grundschule vorzubeugen. “Wer in diesem Alter die Erfahrung macht, dass er mit seiner Ausgrenzung von anderen keinen Widerspruch erntet, macht weiter”, betont die Sozialpsychologin. Zudem seien Kinder im Grundschulalter eher bereit, sich gemeinsam gegen Mobbing zu wehren, da das Sozialverhalten in diesem Alter erst eingeübt werde.

“Die, die nicht auf den ersten Blick beteiligt sind, sind dennoch involviert: Zivilcourage entscheidet, ob sich Mobbing in der Klasse etabliert und sich als System Mobbing festsetzt”, erklärt die Wissenschaftlerin. Dabei gehe es zuerst einmal ums Hingucken. Vor allem die Lehrkräfte seien hier gefordert, sagt Schäfer. “Lehrern, die sagen, sie würden davon nichts bekommen, nehme ich das nicht ab.”

Durch Präventionsprogramme fühlten sich auch Lehrerinnen und Lehrer gestärkt, so ein weiteres Ergebnis der aktuellen Umfrage. Sie stellten etwa klare Regeln auf, zum Beispiel für Klassenchats. Zudem vertrauten sich Schülerinnen und Schüler eher Lehrkräften an, wenn sie Hoffnung hätten, dass diese entsprechend handeln könnten.

Die Schulpsychologin des Pädagogischen Landesinstituts Mainz, Jennifer Lang, sagt, Gewalt- und Mobbingprävention spiele nach wie vor eine große Rolle an Schulen. Nur mit entsprechenden Maßnahmen könnten Lernen und Persönlichkeitsentwicklung in der Schule angstfrei gelingen.