Das Telefon klingelt – doch was dann kommt, damit rechnet kaum jemand: „Der Schock geht sofort los, durch Weinen und Schreien der angeblichen Tochter, des angeblichen Sohns. Schluchzend erzählt die Stimme zum Beispiel, dass sie einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hat.“ Kriminalhauptkommissarin Frauke Hannes arbeitet im Landeskriminalamt Hamburg in der Abteilung für Kriminalprävention und Opferschutz. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Methoden des Telefonbetrugs und damit, wie sich Menschen davor schützen können. „Immer wieder über das Thema reden, immer wieder auf die Methoden aufmerksam machen“ – das könne helfen.
Der Schockanruf des angeblichen Angehörigen ist noch nicht vorbei. „Meist soll das Unfallopfer auch noch eine schwangere Frau oder die Mutter kleiner Kinder gewesen sein, die jetzt allein sind“, erklärt Hannes. Eine Geschichte, die das Blut in den Adern gefrieren lässt. Dann kommt ein angeblicher Polizeibeamter ans Telefon und droht mit Untersuchungshaft, die nur mit einer Geldzahlung verhindert werden könne. „Diese Kautionsforderung ist dann gern mal bei 50.000 bis 120.000 Euro“, sagt Hannes und stellt klar: „Die Polizei verlangt niemals am Telefon Geld. Das gibt es nicht.“
Die sogenannten Schockanrufe laufen immer über das Festnetztelefon, denn die Täter haben es auf ältere Menschen abgesehen. Sie nutzen die Angst und setzen ihre potenziellen Opfer in Sekunden unter Druck. Die Kriminalhauptkommissarin rät: „Wenn jemand am Telefon Geld verlangt, sollte ich so misstrauisch sein, dass ich sofort auflege!“ Und dann entweder unter der altbekannten Nummer bei den Kindern nachfragen oder sogar direkt bei der Polizei anrufen und den Vorfall melden.
Es sei kaum möglich, sich auf diese Schockanrufe vorzubereiten, denn die Täter bauen in Sekunden Angst und Druck auf. Umso wichtiger sei Prävention, glaubt auch Katharina Riemer. Sie ist Pastorin für Seelsorge im Alter in der Region Horn und veranstaltet in ihren Gruppen Thementage oder lädt Polizisten ein, die immer wieder über Schockanrufe, den Trick mit falschen Polizeibeamten oder Messengerbetrug aufklären. „Es ist wichtig, in der Gruppe immer wieder darüber zu sprechen“, sagt Riemer.
Die Pastorin empfindet es als richtig, dass Seniorinnen und Senioren erzählen, dass sie nicht auf einen Betrug reingefallen sind. „Das macht Mut und betont, dass alte Menschen nicht nur Opfer sind.“ Wenn aber zu viele Heldengeschichten erzählt werden, beschämt es die, die Opfer geworden sind, umso mehr, sagt Riemer. „Das verstärkt das Schweigen, weil sich die Betroffenen dann noch mehr fragen: ‘Wie konnte ich nur so dumm sein?’.“ Dabei könne wirklich jeder Mensch – unabhängig von Alter und Geschlecht – Betrugsopfer werden, darin sind sich Frauke Hannes und Katharina Riemer einig.
Deswegen ist es der Pastorin wichtig, im christlichen Sinne zu handeln: „Dass wir die Opfer nicht belächeln, sondern dass wir sie trösten.“ Nur dann sei es in den Gruppen auch möglich, offen über ihr Erlebnis zu sprechen. Denn wer Opfer wird, hat oftmals mit seelischen Folgen zu kämpfen, erzählt Riemer. „Den Menschen fällt es schwer zu vertrauen, sie haben bei jedem Anruf Angst, werden misstrauischer und verbitterter.“
Nicht nur auf ältere Menschen haben die Telefonbetrüger es abgesehen. Derzeit komme auch der Messengerbetrug über das Smartphone häufig vor, sagt Hannes. „Es ist immer die gleiche Geschichte. Das Handy ist kaputt und Mama oder Papa soll schnell eine wichtige Überweisung machen, oftmals ins Ausland, weil das Online-Banking ohne Handy nicht geht.“ Der Tipp: Auf keinen Fall antworten, dann kann auch nichts passieren.
Beim Messengerbetrug haben es die Täter auf Menschen ab 35 abgesehen. Auch Pastorin Riemer habe schon so eine Nachricht bekommen: „Die hätte von einem meiner Kinder stammen können, zum Glück kannte ich die Masche aber schon.“ Darauf reinfallen könne dennoch jeder, „gerade wenn wir uns Sorgen um einen Menschen machen“, glaubt Riemer. Frauke Hannes sagt deswegen: „Gesundes Misstrauen ist nicht unhöflich.“